Schriftzug: Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland veröffentlichen Nationalen Aktionsplan für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom. Darunter das Datum 18. Februar 2022 und die beiden Logos der Organisationen.

Nationaler Aktionsplan ME/CFS und Long COVID

Nationaler Aktionsplan für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom

Koordination, Forschungsförderung, Versorgung und Aufklärung

Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland haben einen „Nationalen Aktionsplan für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom“ ausgearbeitet, der sich an die Bundesregierung richtet.

Gemeinsam konnten unsere Initiativen zuletzt erreichen, dass im Koalitionsvertrag der 20. Bundesregierung vom 24. November 2021 die Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren für die Erforschung und Versorgung von Myalgischer Enzephalomyelitis / dem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und den Langzeitfolgen von COVID-19 aufgenommen wurde.

Anknüpfend an den Koalitionsvertrag haben die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland mit der punktuellen Beratung des Charité Fatigue Centrums und des MRI Chronisches Fatigue Centrums für junge Menschen den Aktionsplan erarbeitet, damit die im Koalitionsvertrag genannten sowie weitere, dringend notwendige Maßnahmen schnellstmöglich umgesetzt werden können.

Der Inhalt des Aktionsplans:

Warum Deutschland einen Aktionsplan für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom benötigt

1. Zentrale Koordinationsstelle und Task-Force

2. Gezielte Förderung zur Entwicklung biomedizinischer Therapiemöglichkeiten

2.1 Grundlagenforschung

2.2 Therapieforschung

2.3 Diagnostikforschung

2.4 Versorgungsforschung

3. Nationales Kompetenznetzwerk für die Diagnostik und Behandlung postinfektiöser syndromaler Erkrankungen

4. Breitenwirksame Aufklärungskampagne

Der Aktionsplan sieht das Einrichten einer Task-Force und einer zentralen Koordinationsstelle vor. Zudem soll die Grundlagen-, Therapie-, Diagnostik und Versorgungsforschung zu den Krankheitsbildern gezielt gefördert werden. Für den im Koalitionsvertrag genannten Aufbau eines Netzwerks von Kompetenzzentren wurden Rahmenbedingungen erarbeitet, damit die verschiedenen Gruppierungen der Patient*innen fachgerecht versorgt werden können. Zudem sind aufgrund des hohen diagnostischen und therapeutischen Aufwands, auch in der ambulanten Versorgung, zusätzliche Vergütungen von medizinischen Leistungen notwendig, die konkret benannt werden: beispielsweise die Aufnahme in den Katalog des § 116b SGB V sowie in das Programm der Ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, Chronikerpauschalen und Disease-Management-Programme. Darüber hinaus legt der Aktionsplan die Notwendigkeit einer breitenwirksamen Aufklärungskampagne zum nächstmöglichen Zeitpunkt durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und das Robert Koch-Institut dar.

Für die im Aktionsplan empfohlenen Maßnahmen wird exemplarisch ein Budget in Höhe von insgesamt mindestens 130 Millionen Euro über einen Zeitraum von vorerst 24 Monaten vorgeschlagen.

Der Aktionsplan wird von einer Reihe an Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen unterstützt, darunter Mitglieder des kürzlich gegründeten Ärzte und Ärztinnenverbandes Long COVID und des Ärztlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS.

Gemeinsam mit Long COVID Deutschland hat die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS den Aktionsplan den Bundesministerien für Gesundheit, Bildung und Forschung sowie Arbeit und Soziales am 18. Februar 2022 vorgelegt und Gespräche mit Verantwortlichen auf Ebene der Bundesregierung aufgenommen. Der „Nationale Aktionsplan für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom“ kann hier abgerufen werden:

Update

Oktober 2022

Seit Veröffentlichung des Nationalen Aktionsplans für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom haben die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS, Long COVID Deutschland, Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen (Charité Fatigue Centrum) und Prof. Dr. Uta Behrends (MRI Chronische Fatigue Centrum) Gespräche mit Bundestagsabgeordneten aus den Ausschüssen für Gesundheit für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, dem Haushalts- und Finanzausschuss sowie mit Mitarbeitenden des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geführt und für die Umsetzung des Aktionsplans geworben.

Ein erster Erfolg dieser umfassenden Gespräche ist der Beschluss vom 12. Mai 2022 zur geplanten Förderung der Nationalen Klinischen Studiengruppe Post-COVID-Syndrom und ME/CFS (NKSG PCS/CFS) für Therapiestudien in Höhe von 10 Millionen Euro. Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand September 2022) ist noch offen, ob seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die zugesagte Finanzierung zielführend, d. h. über einen Zeitraum von mindestens 24 konsekutiven Monaten, für eine Reihe an geplanten Therapiestudien zur Verfügung gestellt werden kann (mehr dazu hier).

Für eine bedarfsgerechte und schnelle Umsetzung von gezielten Maßnahmen haben die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland mit der Unterstützung von Prof. Scheibenbogen und Prof. Behrends die zentralen Forderungen des Nationalen Aktionsplans weiter ausformuliert und – entsprechend der Empfehlungen des Expert*innenrates der Bundesregierung zu COVID-19 – für die wichtigsten Handlungsfelder einzelne ausführliche Konzepte entwickelt, die Abgeordneten der Regierungskoalition sowie den zuständigen Bundesministerien für Gesundheit, für Bildung und Forschung und für Arbeit und Soziales vorgelegt wurden.

Die drei zusätzlichen Konzepte zu Versorgung, Aufklärung und Grundlagenforschung, die auf den Aktionsplan aufbauen, stellen wir im Folgenden vor.

Konzept 1: Versorgung

Konzept für ein Netzwerk von Kompetenzzentren zur Versorgung und Erforschung von ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom 

Die Bundesregierung hat es sich im Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für ME/CFS und die Langzeitfolgen von COVID19 aufzubauen. Hier ist es von hoher Relevanz, mittels enger Kooperation der ausgewiesenen ME/CFS- und Post-COVID-Ambulanzen (neben der Vernetzung und dem Ausbau dieser zu Kompetenzzentren) insbesondere auf das in Deutschland vorhandene klinische Wissen von ME/CFS im Bereich der Diagnostik und Forschung zurückzugreifen. Ferner sollten im Rahmen einer partizipativen Forschung und Versorgung Patient*innenorganisationen vertretend für beide Krankheitsbilder (ME/CFS und Post-COVID-Syndrom) mit ihrer Expertise bei diesem Vorhaben bei allen relevanten Arbeitsschritten beteiligt sein.

Damit die Kompetenzzentren unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Erkrankten aufgebaut werden können, haben die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland für die Schaffung eines Netzwerkes von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen ein entsprechendes Konzept entwickelt und dem BMG sowie einzelnen Bundestagsabgeordneten übergeben.

Nach eigenen Aussagen wird sich das BMG in der zweiten Jahreshälfte 2022 mit der Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgehaltenen Maßnahmen befassen. Laut Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach befinde sich ein Gesetz zur Schaffung von Kompetenzzentren für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom in Vorbereitung. Eingebunden in diese Planung wurden unsere Organisationen leider bisher nicht.

Das Konzept zur Versorgung können Sie hier nachlesen:

Konzept 2: Aufklärung

Konzept für eine flächendeckende Aufklärungskampagne über ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom 

In Deutschland fehlt es im Gesundheits-, Sozial- und Gutachtenwesen flächendeckend an evidenzbasiertem Wissen über den fachgerechten Umgang mit den Post-COVID-Erkrankten sowie postinfektiösen Krankheitsbildern wie ME/CFS und Formen der Dysautonomie im Speziellen, wie z. B. dem posturalen orthostatischen Tachykardiesyndrom (POTS). In der Folge kommt es bei den Erkrankten häufig zu Fehldiagnosen. Daraus resultiert oftmals die Zuführung ungenügender und schlimmstenfalls kontraindizierter Therapie- oder Rehabilitationsmaßnahmen. Dies führt wiederum häufig zu ungenügendem Krankheitsmanagement, Verschlechterung des Krankheitszustandes, vermeidbarer Chronifizierung, Stigmatisierung, sozialer Isolation und damit verbundenen Sekundärschäden wie Angst, Depression und schlimmstenfalls Suizidalität. Elementares Wissen über das Kernsymptom bei ME/CFS „post-exertionelle Malaise“ (PEM) und den Umgang hiermit, das sog. Pacing ist selten vorhanden oder wird nicht beachtet und sollte daher im Zentrum der Aufklärungskampagne stehen. Eine ungenügende oder falsche medizinische Behandlung sowie ungenügende psychosoziale Unterstützung der betroffenen Familien haben besonders für erkrankte Kinder und Jugendliche gravierende Auswirkungen auf die Langzeitprognose und die Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen.

Darüber hinaus bestehen aufgrund von mangelndem oder falschem Wissen erhebliche Barrieren hinsichtlich der Anerkennung von Sozial- und Pflegeleistungen. Dies betrifft insbesondere die Anerkennung von Anträgen auf Erwerbsminderungsrenten, einen Grad der Schwerbehinderung und Pflegegrad. In der Folge stellen das Post-COVID-Syndrom allgemein und ME/CFS im Speziellen aufgrund fehlender oder falscher medizinischer Behandlung nicht nur ein langfristiges gesundheitliches Risiko dar, sondern entwickeln sich vor allem auch für jüngere und zuvor erwerbstätige Menschen zu einem wachsenden Armutsrisiko.

Vor diesem Hintergrund ist es ungemein wichtig schnell umsetzbare und wirksame Maßnahmen zur besseren Aufklärung sowohl in der allgemeinen Bevölkerung als auch in all den für die Versorgung relevanten Bereichen umzusetzen. Unsere beiden Organisationen haben daher ein entsprechendes Konzept für eine flächendeckende Informationskampagne entwickelt und dem Bundesministerium für Gesundheit sowie dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie einzelnen Bundestagsabgeordneten übergeben. Unsere beiden Organisationen sind zum Bedarf einer besseren Aufklärung zudem mit den betreffenden Bundesbehörden in Gesprächen. Die Reaktionen, eine große Aufklärungskampagne zu initiieren, sind leider bisher verhalten.

Das Konzept zur Aufklärung können Sie hier nachlesen:

Konzept 3: Grundlagenforschung

Konzept für eine Förderrichtlinie zur gezielten biomedizinischen Erforschung von ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom 

Der aktuelle Umfang an biomedizinischer Grundlagen- und Diagnostikforschung von ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom reicht nicht aus, um die Krankheitsbilder zeitnah zu verstehen und ursächlich behandeln zu können. Auch die bisherige Förderung der NKSG PCS/CFS bildet nur einen Bruchteil der notwendigen Forschungsförderung ab. Insbesondere im Vergleich zu vergleichbaren Krankheitsbildern (z. B. Multiple Sklerose) wird deutlich, dass im Bereich der öffentlichen Förderung ein starkes Gefälle zulasten von ME/CFS-Forschung fortbesteht.

Im Zuge der Corona-Pandemie ergibt sich jedoch ein bisher einzigartiges Zeitfenster zur gezielten Erforschung der pathogenen Mechanismen von ME/CFS und anderen postinfektiösen Syndromen. COVID-19 bietet die Möglichkeit, relativ einheitliche Kohorten von Erkrankten mit postinfektiösem Syndrom zu untersuchen, deren Krankheit durch dieselbe Virusart ausgelöst wurde, die noch nicht jahrelang krank sind, in Teilen die Diagnosekriterien für ME/CFS erfüllen, und mit Kohorten von ME/CFS-Erkrankten nach anderen viralen Infekten und Triggern verglichen werden sollten, wie ME/CFS-Erkrankte durch Epstein-Barr- oder Influenza-Viren, die z. T. schon länger erkrankt sind.

Zur parallelen Erforschung von postinfektiösen Krankheitsbildern im Rahmen einer neu einzurichtenden Förderrichtlinie sind, basierend auf bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, spezifische Forschungsansätze von besonderer Relevanz, die es gezielt zu fördern gilt. Dazu zählen u. a. Autoimmunität, Entzündungsprozesse, Gefäßstörungen, Störungen des autonomen Nervensystems, das Fortbestehen von Virusbestandteilen und die Reaktivierung von latenten Viren. Unsere beiden Organisationen haben daher ein entsprechendes Konzept für eine durch die Bundesregierung einzurichtende Förderrichtlinie zur gezielten biomedizinischen Forschung erstellt und dem BMBF sowie einzelnen Bundestagsabgeordneten übergeben. Leider hat das BMBF bisher keine Bereitschaft signalisiert, eine weitere Ausschreibung für die biomedizinische Grundlagenforschung von ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom einzurichten.

Das Konzept zur Grundlagenforschung können Sie hier nachlesen:

Redaktion: Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland