BMG-Förderschwerpunkt „Long-/Post-COVID“

30 Versorgungsforschungsprojekte nehmen ihre Arbeit auf


BMG-Förderung von 2024–2028

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) kündigte bereits im März 2024 den Ausbau der Versorgungsforschung zu Long COVID und Erkrankungen ähnlicher Ursachen an. Über den Förderschwerpunkt „Erforschung und Stärkung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von COVID-19 (Long COVID)“ werden 30 Projekte zur Versorgung, innovativen Diagnostik und Erforschung des Krankheitsgeschehens mit einem Gesamtvolumen von 73 Millionen Euro für ca. drei bis vier Jahre finanziert. Forschungsgegenstand dieser Projekte können sowohl das Krankheitsbild Long COVID als auch Erkrankungen mit ähnlichen Symptomkomplexen wie ME/CFS, auch unabhängig von einer COVID-19-Erkrankung, und Long-COVID-ähnliche Beschwerden im zeitlichen Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung sein.

Nach Auswahl der Projekte im Herbst 2024 starteten diese Ende des Jahres 2024 und Anfang 2025. Im Februar fand ein Auftakttreffen unter Leitung des BMG statt. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS begrüßt den Start der Versorgungsforschungsprojekte. Im Folgenden geben wir einen Überblick zu den geförderten Projekten.

Der Förderschwerpunkt gliedert sich in vier Module. Über Modul 1 werden neun „Modellprojekte zur integrierten bzw. koordinierten Versorgung“ in verschiedenen Bundesländern gefördert (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen). Die Forschungsvorhaben verfolgen verschiedene Ansätze. Neben der Erprobung telemedizinischer Diagnostik und Versorgung (EMOPROM LCN, VALIDATE) widmen sich mehrere Projekte dem Aufbau lokaler, interdisziplinärer Netzwerke (COVIVare-MV, CLOCC). Dabei werden oft Hausarztpraxen und spezialisierte Anlaufstellen in Unikliniken vernetzt und deren Interaktionen ausgebaut (PROGRESS, PAIS Care Berlin). Einige der Projekte haben außerdem zum Ziel, soziale und berufliche Teilhabe zu fördern, und unterstützen dies durch Rehamaßnahmen und psychotherapeutische Begleitung. Die Entwicklung von standardisierten Handlungsempfehlungen (GRACI) und die Vernetzung bestehender Versorgungsstrukturen stehen dabei oft im Vordergrund. Auch Schwerbetroffene werden von einigen Projekten in den Blick genommen und interdisziplinäre Strukturen zur Versorgung der Betroffenen etabliert und evaluiert (ACCESS, INCAP).

Ein breites Spektrum an Versorgungsansätzen wird im Rahmen von Modul 2 „Innovationen in der Versorgung“ erforscht. Drei Projekte beschäftigen sich mit dem mobilen Monitoring, unter anderem mit Hilfe von tragbaren Fitnesstrackern zur Erfassung der Herzfrequenz, von körperlicher Aktivität und des Schlafes (U-WaTCH, SynoSys, REMIT). Ziele sind die Etablierung einer zielgerichteten Diagnose, Vorbeugung von PEM und verbesserte, personalisierte Versorgung. Ein weiteres Projekt plant die umfassende Analyse der verschiedenen Ausprägungen körperlicher und mentaler Leistungsfähigkeit mittels eines ganzheitlichen bio-psycho-sozialen Ansatzes (DEEP-LC). Der Zusammenhang zwischen einem gestörten Zellstoffwechsel und typischen Post-COVID-Symptomen soll über einen regenerativen Therapieansatz analysiert werden (RegCM-PCS). Zudem werden die Entwicklung laborbasierter diagnostischer Tests (PERCOLATE), der Einsatz künstlicher Intelligenz zur Unterstützung klinischer Entscheidungsfindung in der Diagnostik (DETECT-ME/CFS) und die Analyse potenzieller genetischer Krankheitsfaktoren (genomLC) gefördert.

Modul 3 zielt auf die „Erforschung der Versorgungslage und des Krankheitsgeschehens“ ab. Die geförderten zwölf Projekte sind dabei divers in der Aufstellung. Diese reicht von der Analyse bestehender Behandlungsempfehlungen und Versorgungspfade (MAP-PCC, SCOPE-CARE, PEXCARE, Long-term Post-COVID) über die Erfassung der Änderung der Häufigkeit und Schwere der Symptome (PCS-Journey) bis hin zum Aufbau eines interaktiven Vorhersagesystems zur Bedarfsplanung von PCS-Versorgung (MultiCARE). In einem vom Robert Koch-Institut (RKI) geleiteten Projekt werden die gesellschaftlichen Folgen von Long COVID bzw. dem Post-COVID-Syndrom epidemiologisch und (makro)ökonomisch modelliert. Unter anderem soll dabei auch die Auswirkung der COVID-19-Impfung auf Long COVID in Deutschland analysiert werden (HELoCO). Long COVID wird auch in Bezug auf andere Krankheiten untersucht – so sollen z. B. die Zusammenhänge mit Diabetes (LongCovid-Diab) oder Long COVID als Risikofaktor für Hüftfrakturen in der älteren Bevölkerung (LC_Hip) erfasst werden. Über eine Analyse der gesetzlichen Krankenkassendaten werden Risiko- und Schutzfaktoren in Bezug auf eine langfristige Erkrankung ermittelt und der Einfluss der COVID-19-Impfungen untersucht (prevCOV). Die seit 2020 laufende epidemiologische Studie COVIDOM zur Erhebung der Langzeitfolgen von COVID-19 wird fortgesetzt (COVIDOM+) und soll in Zukunft auch ME/CFS stärker berücksichtigen. Ein Projekt wird sich zudem mit der Auswirkung von Stigmatisierung auf die medizinische Versorgung von ME/CFS- und Post-COVID-Erkrankten beschäftigen (StiMECO).

In der Vergangenheit haben die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und andere Betroffenenorganisationen immer wieder die Vernetzung und Koordination von Forschungsvorhaben eingefordert. Das BMG setzt dies nun durch die Einrichtung einer „übergeordneten Koordinationsstelle“ im Rahmen von Modul 4 um, die für die Vernetzung der beteiligten Projekte zuständig und bei der „Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V.“ (TMF) angesiedelt ist.

Die initiierten Projekte setzen wichtige Impulse, um die Versorgung von Long-COVID-Patient*innen und Betroffenen von ME/CFS in Deutschland zu verbessern. Auch die Analyse der aktuellen Versorgungssituation ist dringend notwendig, um Bedarfe und Versorgungslücken klar zu definieren. Wichtig bleibt, dass das bereits vorhandene Wissen zu ME/CFS in der Umsetzung der Projekte genutzt wird. Nur sechs der 30 Projekte erwähnen ME/CFS in ihrer Kurzbeschreibung. ME/CFS muss als Folge einer Infektion mit SARS-CoV-2 klar benannt, erforscht und behandelt werden. Das bereits vorhandene Wissen zu ME/CFS, und insbesondere zur Post-Exertionellen Malaise als Kardinalsymptom, muss auch im Rahmen der Versorgungsforschung zu den Langzeitfolgen von COVID-19 handlungsleitend sein. In den letzten 30 Jahren wissenschaftlicher Forschung zu ME/CFS konnten nicht wenige Befunde bereits mehrfach repliziert werden, die zusammengenommen ein erstes Bild der Pathophysiologie von ME/CFS zeichnen, an welches nun angeknüpft werden kann. Die Historie von ME/CFS hat allerdings auch gezeigt, dass eine – die empirischen Befunde ignorierende – psychosomatische Sicht auf ME/CFS für Betroffene großen Schaden anrichten kann. Dieser Fehler darf nicht wiederholt werden.

Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS setzt sich weiterhin aktiv in der Bundespolitik, in Patient*innenenbeiräten und an anderer Stelle dafür ein, dass ME/CFS nach COVID-19 und anderen Auslösern erforscht wird.

Übersicht der geförderten Projekte

Redaktion: mwi, mth, smü