Gibt es einen Zusammenhang zwischen EBV und ME/CFS?

Wissenschaftler haben keine erhöhten EBV-Werte gefunden, aber eine Reaktion gegen EBNA-Proteine

Das Team um Frau Prof. Scheibenbogen an der Charité Berlin hat die Immunantwort auf Eppstein-Barr-Viren im Blut von CFS-Patienten erneut untersucht. Die Studie wurde am 12. Juni 2017 in der internationalen und frei zugänglichen Online-Fachzeitschrift „PLOS ONE“ veröffentlicht.

Es wird vermutet, dass Viren, vor allem das Epstein-Barr-Virus (EBV), in manchen Fällen Autoimmunkrankheiten auslösen und als Trigger fungieren können. EBV wird z.B. gehäuft beim systemischen Lupus erythematodus, der Multiplen Sklerose, der rheumatoiden Arthritis und beim Sjögren-Syndrom nachgewiesen. Die These besagt, dass eine EBV-Infektion bei entsprechend veranlagten Patienten eine Autoimmunerkrankung triggern kann. Die zugrundeliegenden krankheitsauslösenden Mechanismen sind jedoch noch nicht geklärt, sowohl genetische als auch umweltbedingte Auslöser sind wahrscheinlich beteiligt.

Eine solche Rolle von EBV wird auch immer wieder bei der Entstehung von ME/CFS diskutiert. Diese Vermutung liegt nahe, denn bei einigen ME/CFS-Patienten beginnt die Erkrankung im Rahmen eines Pfeifferschen Drüsenfiebers, einer sehr häufigen und normalerweise harmlos verlaufenden Viruserkrankung, die durch das Epstein-Barr-Virus hervorgerufen wird. Ein weiterer Grund für die Hypothese ist, dass manche ME/CFS-Patienten einen veränderten Antikörperspiegel gegen EBV im Blut aufweisen.

Mittels moderner molekularbiologischer Untersuchungssysteme haben die Forscher nun erneut untersucht, ob ein Zusammenhang von EBV-Infektion und der Entstehung von ME/CFS besteht, wie man ihn bei anderen Autoimmunerkrankungen vermutet.

Ausführliche Informationen zur Studie: 

In der Studie wurden 92 CFS-Patienten mit 50 gesunden Probanden verglichen. Patienten mit den Autoimmunerkrankungen systemischer Lupus erythematodus (SLE) und Multipler Sklerose (MS), sowie Patienten mit einem Krebsfatigue dienten als Kontrolle.

Immunglobulin G (IgG) sind die Antikörper der Klasse G und werden vom Körper als Abwehrstoffe gegen schädliche Viren wie das EBV gebildet.  Ziel dieser Studie war es nun, die Immunantwort gegen EBV zu vergleichen durch eine umfassende Analyse der produzierten Antikörper. Dabei wurden 14 einzelne Bestandteile des Eppstein-Barr-Virus verwendet.

Die Analyse zeigte einen ähnlichen Anteil an in der Vergangenheit durchgemachten EBV-Infektionen bei CFS-Patienten im Vergleich zu gesunden Probanden. Die spezifischen Immunantworten von CFS-Patienten wichen dabei weniger von denen gesunder Kontrollpersonen ab als die von Patienten mit den Autoimmunerkrankungen SLE und MS.

Eine erhöhte Reaktion zeigten CFS-Patienten gegenüber einem bestimmten Anteil des EB-Virus, dem Protein EBNA-6, das verschiedenen menschlichen Enyzmen sehr ähnlich ist. Dieser Effekt der molekularen Mimikry beschreibt die Beobachtung, dass manche Krankheitserreger ihre Zellbestandteile an menschliche Strukturen angleichen. Diese angeglichenen Zellbestandteile werden deshalb weniger vom menschlichen Immunsystem erkannt. Da unser Immunsystem gegen unsere eigenen Zellbestandteile im Normalfall keine Antikörper bildet, werden diese Bestandteile der Viren nicht als Antigen (Stoffe, an die sich Antikörper und bestimmte Lymphozyten-Rezeptoren spezifisch binden können) erkannt.

Diese Ergebnisse wurden in einer zweiten Kohorte mit 227 Patienten überprüft und bestätigt. Das EBNA-Peptid ähnelt Gensequenzen auf mehreren menschlichen Enzymen. U.a. der Lactoperoxidase (LPO), das an der Immunabwehr gegen Bakterien beteiligt ist. Sowie der Thyreoperoxidase (TPO) in der Schilddrüse, der Ornithin-Transcarbamylase (OTC) und der Phosphofructokinase (PFK), welche eine primäre Rolle im Zucker-Energiestoffwechsel spielt. Dies sei laut den Autoren besonders interessant, da einige aktuelle Studien eine eingeschränkte Glykolyse (Umwandlung von Zucker in Energie) nachweisen konnten.

Die hier festgestellte Immunantwort auf EBV bei CFS-Patienten, welche sich kaum von der Gesunder unterscheidet, und der Immunantwort von anderen Patienten mit Autoimmunerkrankungen nur bedingt ähnelt, legt die Vermutung nahe, dass eine Reaktivierung einer EBV-Infektion nicht ursächlich verantwortlich für die Erkrankung an ME/CFS ist. Evtl. könnte aber die Ähnlichkeit des Proteins EBNA-6 mit einigen zentralen Enzymen eine Rolle in der Krankheitsgenese von ME/CFS spielen.

Methodische Kritik:

Die Fallzahl von 92-CFS Patienten ist für eine CFS-Studie relativ hoch, im Kontext der üblichen Methodik in der Bio(medizin) jedoch relativ niedrig. In der zweiten Kohorte wurden die Ergebnisse jedoch an 277 Patienten validiert und bestätigt. Für die Studie wurden die Kanadischen Kriterien (CCC) verwendet, d.h. ME/CFS wurde vermutlich gut von anderen Ekrankungen abgegrenzt. Allerdings ist momentan im Bezug auf die verschiedenen Immunantworten bei Autoimmunerkrankungen noch vieles unklar. Klare Zusammenhänge, z.B. bei der molekolaren Mimickry, müssen erst noch bewiesen werden. Die genauen Mechanismus bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen sind ebenfalls noch nicht gänzlich verstanden.

Verbindung mit anderen Studien:

In vielen Studien wurde bereits versucht, Beweise für einen Zusammenhang zwischen ME/CFS und EBV zu finden. DuBois hat im Jahr 1984 als erster Patienten beschrieben, die an einem Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt waren, an langdauernder Erschöpfung litten und zusätzlich Zeichen einer Reaktivierung der Immunantwort auf EBV aufwiesen [2].
Dieser Studie folgten weitere Studien, die CFS Patienten mit chronisch aktiver EBV-Infektion beschrieben.  [3]
Erhöhte Antikörperbildung gegen verschiedene Bestandteile des Eppstein-Barr-Virus wurden in vielen Studien beschrieben [4-12], allerdings mit widersprüchlichen Ergebnissen [13-15].

Quelle:

Madlen Loebel, Maren Eckey, Franziska Sotzny, Elisabeth Hahn, Sandra Bauer, Patricia Grabowski, Johannes Zerweck, Pavlo Holenya, Leif G. Hanitsch, Kirsten Wittke, Peter Borchmann, Jens-Ulrich Rüffer, Falk Hiepe, Klemens Ruprecht, Uta Behrends, Carola Meindl, Hans-Dieter Volk, Ulf Reimer, Carmen Scheibenbogen. Serological profiling of the EBV immune response in Chronic Fatigue Syndrome using a peptide microarray. PLOS, Published: June 12, 2017. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0179124

Weitere Quellen:

  1. DuBois RE, Seeley JK, Brus I, Sakamoto K, Ballow M, Harada S, et al. Chronic mononucleosis syndrome. Southern medical journal. 1984;77(11):1376–82. Epub 1984/11/01. pmid:6093268.
  2. Komaroff AL. The 'chronic mononucleosis' syndromes. Hospital practice (Office ed). 1987;22(5a):71–5. Epub 1987/05/30. pmid:3034937.
  3. Straus SE, Tosato G, Armstrong G, Lawley T, Preble OT, Henle W, et al. Persisting illness and fatigue in adults with evidence of Epstein-Barr virus infection. Annals of internal medicine. 1985;102(1):7–16. Epub 1985/01/01. pmid:2578268.
  4. Jones JF, Williams M, Schooley RT, Robinson C, Glaser R. Antibodies to Epstein-Barr virus-specific DNase and DNA polymerase in the chronic fatigue syndrome. Archives of internal medicine. 1988;148(9):1957–60. Epub 1988/09/01. pmid:2843138.
  5. Buchwald D, Sullivan JL, Komaroff AL. Frequency of 'chronic active Epstein-Barr virus infection' in a general medical practice. 1987;257(17):2303–7. Epub 1987/05/01. pmid:3033338.
  6. Hellinger WC, Smith TF, Van Scoy RE, Spitzer PG, Forgacs P, Edson RS. Chronic fatigue syndrome and the diagnostic utility of antibody to Epstein-Barr virus early antigen. 1988;260(7):971–3. Epub 1988/08/19. pmid:2840523.
  7. Holmes GP, Kaplan JE, Stewart JA, Hunt B, Pinsky PF, Schonberger LB. A cluster of patients with a chronic mononucleosis-like syndrome. Is Epstein-Barr virus the cause? Jama. 1987;257(17):2297–302. Epub 1987/05/01. pmid:3033337.
  8. Lerner AM, Beqaj SH, Deeter RG, Fitzgerald JT. IgM serum antibodies to Epstein-Barr virus are uniquely present in a subset of patients with the chronic fatigue syndrome. In Vivo. 2004;18(2):101–6. Epub 2004/04/29. pmid:1511303
  9. Lerner AM, Ariza ME, Williams M, Jason L, Beqaj S, Fitzgerald JT, et al. Antibody to Epstein-Barr virus deoxyuridine triphosphate nucleotidohydrolase and deoxyribonucleotide polymerase in a chronic fatigue syndrome subset. PloS one. 2012;7(11):e47891. Epub 2012/11/17. pmid:23155374; PubMed Central PMCID: PMCPmc3498272
  10. Sairenji T, Yamanishi K, Tachibana Y, Bertoni G, Kurata T. Antibody responses to Epstein-Barr virus, human herpesvirus 6 and human herpesvirus 7 in patients with chronic fatigue syndrome. Intervirology. 1995;38(5):269–73. Epub 1995/01/01. pmid:8724857
  11. Kawai K, Kawai A. Studies on the relationship between chronic fatigue syndrome and Epstein-Barr virus in Japan. Intern Med. 1992;31(3):313–8. Epub 1992/03/01. pmid:1319246.
  12. Cameron B, Flamand L, Juwana H, Middeldorp J, Naing Z, Rawlinson W, et al. Serological and virological investigation of the role of the herpesviruses EBV, CMV and HHV-6 in post-infective fatigue syndrome. J Med Virol. 2010;82(10):1684–8. Epub 2010/09/10. pmid:20827765
  13. Wallace HL 2nd, Natelson B, Gause W, Hay J. Human herpesviruses in chronic fatigue syndrome. Clin Diagn Lab Immunol. 1999;6(2):216–23. Epub 1999/03/06. pmid:10066657; PubMed Central PMCID: PMCPmc95690.
  14. Whelton CL, Salit I, Moldofsky H. Sleep, Epstein-Barr virus infection, musculoskeletal pain, and depressive symptoms in chronic fatigue syndrome. J Rheumatol. 1992;19(6):939–43. Epub 1992/06/01. pmid:1328633.