
Handlungsbedarf für die kommende Bundestagslegislatur
Nach der erfolgten Bundestagswahl am 23. Februar 2025 bereiten sich Parteien wie Interessenverbände nun mit Hochdruck auf die nächste Legislaturperiode vor. Auch die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland setzen wieder alles daran, das Thema Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom und Post-COVID-Syndrom in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Wie bei der letzten Bundestagswahl 2021 sind wir wieder gemeinsam auf die voraussichtlich regierungsbildenden Parteien zugegangen und haben konkrete Maßnahmen erläutert sowie einen Formulierungsvorschlag für den Koalitionsvertrag unterbreitet. Im Fokus stehen dabei Betroffene von ME/CFS und diejenigen Post-COVID-Syndrom-Betroffenen, die Post-Exertionelle Malaise (PEM) aufweisen, ohne das Vollbild von ME/CFS zu zeigen. Auch andere Organisationen sind in dieser Richtung aktiv. Zuletzt haben 13 von ihnen im Vorfeld der Wahl gemeinsam Forderungen an die künftige Bundesregierung formuliert, die wir im Ziel unterstützen.
In den letzten Jahren wurden bereits einige wichtige Maßnahmen ergriffen, um die Anerkennung und Versorgung der Betroffenen von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom zu verbessern. Hierzu zählen unter anderem die Bereitstellung von Mitteln durch die Bundesministerien für Gesundheit (BMG) und Bildung und Forschung (BMBF) für ME/CFS-Forschung, die Formulierung der Long COVID Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Versorgung Betroffener und die Etablierung einer angemessenen Vergütung für Kassenärzt*innen bei Behandlung von ME/CFS- und Post-COVID-Syndrom-Patient*innen. Diese Errungenschaften sind allerdings nur ein erster Schritt hin zu einer langfristigen Verbesserung. Es besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf, um die Situation der Betroffenen nachhaltig zu verbessern:
Versorgung: Die Versorgungslage für Betroffene von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom ist weiterhin prekär. Neben fehlenden Anlaufstellen und Unterstützungsangeboten bleibt auch die Anerkennung im Sozialsystem schwierig, was zu finanzieller Not der betroffenen Familien beitragen kann. Es braucht dringend politische Rahmenbedingungen, um das Versorgungsangebot und die soziale Absicherung zu verbessern.
Forschung: Die Ursachen- und Therapieforschung zu ME/CFS und den entsprechenden Subgruppen des Post-COVID-Syndroms steht nach Jahrzehnten des Rückstands in der postinfektiösen Forschung weiterhin am Anfang. Es braucht dringend mehr epidemiologische und biomedizinische Forschung, um die zugrundeliegenden Pathomechanismen besser zu verstehen und endlich Medikamente zur ursächlichen Behandlung von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom zu entwickeln.
Fortbildung: Fachkräften in Gesundheitsberufen und im Sozialsystem fehlt es weiterhin häufig an Wissen zur Erkrankung und Erfahrung im Umgang mit Betroffenen von ME/CFS und der entsprechenden Post-COVID-Subgruppe. Dies führt zu Bagatellisierung, Psychologisierung und schädlichen, den Gesundheitszustand Betroffener nachhaltig verschlechternden Therapieversuchen sowie unter Umständen zur unberechtigten Ablehnung von Leistungsansprüchen. Es ist daher dringend notwendig, das medizinische und pflegerische Fachpersonal sowie Entscheidungsträger*innen bei den sozialen Trägern, Sozialversicherungen und Bildungseinrichtungen aus- und fortzubilden.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland haben gemeinsam einen Katalog von Maßnahmen zu den genannten Handlungsbedarfen erarbeitet und Politiker*innen der regierungsbildenden Parteien zur Verfügung gestellt. Aufgrund des föderalen Systems in Deutschland und der Vielzahl an beteiligten Stellen im Gesundheitssystem liegen nicht alle notwendigen Maßnahmen im (alleinigen) Verantwortungsbereich der Bundesregierung. Sie kann aber durchaus auch auf Maßnahmen Einfluss nehmen, die nicht in ihrem Verantwortungsbereich liegen. So kann sie beispielsweise über die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz die Gesundheits- und Forschungspolitik mitgestalten oder Gesprächsrunden wie den Runden Tischen Long COVID initiieren, um die verschiedenen Akteure zusammenzubringen und zum Handeln anzuregen.
Neben der Bundesregierung haben wir selbstverständlich auch die anderen Verantwortlichen in Politik und Gesundheitswesen im Blick und werden auch in den kommenden Jahren weiter daran arbeiten, dass unsere Forderungen gehört, die Maßnahmen umgesetzt und die Versorgungslage für ME/CFS-Betroffene verbessert werden.
Redaktion: smü, mwi, tel