Jahresrückblick 2022
Liebe Unterstützer*innen und Interessierte,
am Jahresende blicken wir – in Form einiger ausgewählter Highlights – auf 2022 zurück und informieren Sie über den Stand unserer aktuellen Projekte.
Dieses Jahr ist viel rund um ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) passiert – so viel wie nie zuvor in Deutschland. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert nach Jahrzehnten zum ersten Mal die ME/CFS-Forschung – Therapiestudien in Form einer Nationalen Klinischen Studiengruppe mit 10 Millionen Euro und Grundlagenforschung zu den immunologischen Mechanismen von ME/CFS mit über zwei Millionen Euro. Für beides hat sich die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS mit ihren Partner*innen erfolgreich eingesetzt. Erstmals haben sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, die Bundesärztekammer und der Gemeinsame Bundesausschuss zu ME/CFS geäußert. An der Live-Fortbildung, die wir gemeinsam mit der Charité, TU München und Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS durchgeführt haben, nahmen über 1000 Ärzt*innen teil. Zudem konnten wir erstmals eigene Förderprogramme für die Forschung ausschreiben. Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen bekam von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz am Bande für ihren Einsatz zu ME/CFS verliehen. Nach Jahrzehnten beginnt sich auch in Deutschland – in Übereinstimmung mit dem wissenschaftlichen Konsens und Empfehlungen großer Gesundheitsbehörden weltweit – die Erkenntnis durchzusetzen, dass Post-Exertional Malaise das Leitsymptom von ME/CFS ist, Aktivierung ausschließt und stattdessen Pacing als Strategie zum Energiemanagement angezeigt ist.
Doch Paradigmenwechsel können für manche – die über Jahrzehnte fragliche, jetzt verworfene Theorien vertreten haben – auch schwierig sein. Der dringend notwendige und überfällige Fortschritt erzeugt daher auch verstärkten Widerstand einer veralteten psychosomatischen Sichtweise, die die Organik von ME/CFS und das Leitsymptom Post-Exertional Malaise nicht anerkennen will und aktivierende Therapien statt Pacing propagiert. Obwohl diese Sichtweise inzwischen von großen Gesundheitsbehörden weltweit abgelehnt wird, da sie nicht von Evidenz gestützt wird und ein beträchtliches Schadenspotenzial für Betroffene bedeutet, gibt es vermehrte Bestrebungen diese zu verbreiten. Doch kann dies im Sinne des von Gandhi bekannten Ausspruchs „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du“, auch als weiterer Schritt im Prozess des fortschreitenden Paradigmenwechsels in der Medizin gewertet werden. Nach Jahrzehnten kann ME/CFS nicht länger ignoriert und belächelt werden – ME/CFS ist in Deutschland in einer neuen wichtigen Phase angekommen.
Uns ist dabei immer bewusst, dass der Fortschritt nicht schnell genug konkret bei ME/CFS-Patient*innen ankommen kann und jeder Tag zählt. Auch in diesem Jahr sind teils noch junge ME/CFS-Erkrankte verstorben und viele müssen in ihrer Bettlägerigkeit ausharren. Wir geben unser Bestes, damit sich dieser unerträgliche Zustand ändert.
Wir setzen uns 2023 weiter mit Hochdruck dafür ein, dass Medizin und Gesundheitspolitik in Deutschland endlich Verantwortung übernehmen und dass jeder Mensch mit ME/CFS ganz selbstverständlich von Haus- und Fachärzt*innen sowie in Universitätskliniken diagnostiziert, evidenzbasiert behandelt und beraten wird und auch die schwer und schwerst an ME/CFS Erkrankten angemessen versorgt werden.
Fürs neue Jahr wünschen wir Ihnen alles Gute und natürlich insbesondere Gesundheit!
Vielen Dank für Ihre Unterstützung und herzliche Grüße
das Team der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS
Zunächst möchten wir Sie über Neuigkeiten von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und allgemeine Neuigkeiten rund um ME/CFS seit dem letzten Newsletter informieren.
Neue Video-Fortbildung im Ärzteportal
Ab sofort steht auf unserer Webseite eine neue akkreditierte Video-Fortbildung on demand für Ärzt*innen zur Verfügung. Sie können Ihre behandelnden Ärzt*innen darauf aufmerksam machen. Es handelt sich um eine Aufnahme des Webinars, das wir im September gemeinsam mit der Charité Berlin, TU München und Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS ausgerichtet haben. Vortragende sind Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen von der Charité Berlin, Prof. Dr. Uta Behrends von der TU München, Facharzt für Neurologie Dr. Michael Stingl, Prof. Dr. Johannes-Peter Haas von der Kinderklinik Garmisch-Partenkirchen sowie Dr. Andrea Maier von der RWTH Aachen.
BMBF fördert Nationale Klinische Studiengruppe zu ME/CFS und Long COVID mit 10 Millionen Euro

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat im November den offiziellen Bescheid über die Bewilligung von rund 10 Millionen Euro für die Nationale Klinische Studiengruppe zu ME/CFS und Long COVID vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erhalten. Erste klinische Studien starten und befassen sich u. a. mit der Behandlung von Entzündungen, Durchblutungsstörungen und Autoantikörpern. Begleitet werden die Studien von einem umfassenden Biomarker- und Diagnostikprogramm.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland haben sich für die Bereitstellung der Förderung eingesetzt und sind Mitglieder im Lenkungsausschuss.
Förderung Forschungsstipendien
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS fördert drei Forschungsstipendien der Lost Voices Stiftung für Master- und Doktorarbeiten zu ME/CFS mit insgesamt 16.800 Euro.
Aufklärungsvideos über PEM und Pacing
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland haben Videos über Post-Exertional Malaise (PEM) – das Leitsymptom von ME/CFS – und die Strategie des Energiemanagements Pacing produziert. Sie sind auf unserer Webseite und dem neuen gemeinsamen YouTube-Kanal „ME/CFS und Long COVID erklärt“ zu finden.
Die Videos dienen der Aufklärung und können beispielsweise an Ärzt*innen, Fachpersonal im Gesundheits- und Sozialbereich, Mitarbeitende in Behörden, Lehrer*innen, Erkrankte, Angehörige und weitere Interessierte weitergeleitet werden.
Expertinnen der Charité Berlin und TU München haben inhaltlich mitgearbeitet und die Agentur QREATE hat uns pro bono bei der Postproduktion unterstützt, vielen Dank!
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Neue Pressefotos
Wir haben unsere Pressefotos um neue Bilder erweitert. Mit den neuen Bildern soll auch ME/CFS bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen realistischer dargestellt werden.
Seit 2021 bietet die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS als erste Organisation weltweit professionelle Pressefotos für ME/CFS an. Ziel ist eine realistischere Darstellung der Erkrankung in den Medien. Die üblichen genutzten Stockfotos spiegeln den Leidensdruck der Erkrankten in vielen Fällen nicht wider.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Erkrankten, ihrer Mutter und dem Fotografen Sergej Preis, die die neuen Bilder mit uns erstellt haben. Außerdem bedanken wir uns bei allen, die sich nach unserem Aufruf für Fotoaufnahmen gemeldet hatten.
Die Pressefotos können von Journalist*innen weltweit kostenlos unter Angabe der Foto-Credits genutzt werden.
Vorbericht des IQWiG zu ME/CFS
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit einen Vorbericht zum aktuellen Kenntnisstand zu ME/CFS vorgelegt.

Der endgültige Bericht soll Anfang 2023 erscheinen und wird große Auswirkungen auf die Erkrankten haben, da sich die Bundesregierung für die nächsten Jahre darauf stützen wird. Neben vielen kritischen Stellen enthält der Vorbericht jedoch Behandlungsempfehlungen zu gesteigerter Aktivierungstherapie (GET) und aktivierender kognitiver Verhaltenstherapie (CBT). Beide Behandlungen werden weltweit von großen Gesundheitsbehörden wie dem britischen NICE und den amerikanischen CDC für ME/CFS aufgrund mangelnder Evidenz und Schadenspotenzial für Erkrankte abgelehnt. Zudem schätzt der Vorbericht die Zahl der Betroffenen in Deutschland fälschlicherweise auf nur 70.000.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat eine fast 100-seitige kritische Stellungnahme zum Vorbericht des IQWiG eingereicht. Wir fordern weitreichende Änderungen – insbesondere die Streichung der Empfehlungen für GET und CBT und die Korrektur der Prävalenz sowie eine umfassende Überarbeitung der Gesundheitsinformation, die im Anschluss veröffentlicht wird. Für unsere Stellungnahme haben wir u. a. auch Studienautoren direkt kontaktiert und bisher unveröffentlichte Daten erhalten.
Am 12. Dezember haben wir zudem an der mündlichen Anhörung des IQWIG zu den eingereichten Stellungnahmen teilgenommen. Darüber hinaus haben wir einen offenen Brief von 39 Wissenschaftler*innen an das IQWiG organisiert, der fordert, die Empfehlungen zu GET und CBT zu überdenken. Des Weiteren haben wir Erfahrungsberichte von unseren Mitgliedern mit Aktivierungstherapien gesammelt, Bundesministerien und Politiker*innen kontaktiert sowie die Presse informiert. Wir haben uns außerdem mit den Initiativen #MEAction und #MEAction Scotland für die Planung unseres Vorgehens in einem Call zu ihren Erfahrungen mit den Gesundheitsbehörden NICE, CDC und NIH ausgetauscht.
Unser Partner #MillionsMissing Deutschland hat eine Postkartenaktion an das IQWiG und BMG gestartet: „Alles, was ich mir zu Weihnachten wünsche, ist ein IQWIG-Bericht ohne gesundheitsschädliche Empfehlungen“. (Erste Reaktion des IQWiG hier.)
Bereits im letzten Jahr hat die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS eine erste Stellungnahme zum Berichtsplan eingereicht und an der mündlichen Anhörung teilgenommen. Das Transkript der mündlichen Anhörung (ab S. 1) und unsere letzte Stellungnahme (ab S. A2) können hier nachgelesen werden. Das Transkript der kommenden Anhörung wird nächstes Jahr mit dem fertigen Bericht veröffentlicht.
Der endgültige Bericht soll im Frühjahr 2023 erscheinen. Wir halten Sie auf dem Laufenden, wie es weitergeht.
Zur 99-seitigen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS zum Vorbericht
Antrag an das BfArM: deutsche Übersetzung der ICD G93.3 aktualisiert
Die ICD ist das wichtigste weltweit anerkannte Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen und in Deutschland verpflichtend. Unter der Codierung G93.3 wird ab 2023 nicht mehr wie bisher die Übersetzung „Chronisches Müdigkeitssyndrom“ in der Überschrift aufgeführt. Stattdessen wird der Begriff „Chronisches Fatigue-Syndrom“ genutzt. Der ebenfalls unter G93.3 codierte Begriff „Myalgische Enzephalomyelitis“ bleibt hiervon unberührt.
Dies geht auf einen Antrag der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS mit unserem Ärztlichen Beirat an das BfArM zurück.
Da die Überschrift der gelisteten Begriffe unter der jeweiligen ICD-Codierung entscheidend ist (und beispielsweise in Arztpraxen meist automatisch ausgedruckt wird), wird der bagatellisierende und irreführende Begriff „Chronisches Müdigkeitssyndrom“ ab nächstem Jahr immer weniger auf Arztbriefen, Krankschreibungen, Überweisungen, in Fachpublikationen, bei Behörden, auf Webseiten oder in Medienberichten auftauchen und ist somit zukünftig obsolet.
Hinweis: Die deutsche ICD ist strikt an die Vorgaben der WHO gebunden und kann lediglich die Übersetzung der englischen Version anpassen. Es gibt keine Möglichkeit, die englische Version „Chronic Fatigue Syndrom“ in diesem Rahmen zu ändern oder zu streichen, die Reihenfolge zu ändern oder anderweitige Änderungen unter G93.3 zu veranlassen.
Weitere Informationen dazu und den Antrag haben wir in einem Beitrag auf unserer Webseite zusammengefasst.
Neue Seite: Brain Fog
Eine neue Seite der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS erklärt das Symptom Brain Fog (Gehirnnebel) – eine bei ME/CFS-Patient*innen ausgeprägte kognitive Dysfunktion. Die Seite geht u. a. darauf ein, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es gibt und welche Pathomechanismen das Symptom erklären könnten.
Neue Seite: Fatigue
Das Symptom Fatigue ist eine krankhafte Schwäche, die bei vielen chronischen Erkrankungen auftritt, beispielsweise bei Multipler Sklerose, Krebs und ME/CFS. Eine neue Seite der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS zu Fatigue beschreibt, wie ME/CFS-Betroffene das Symptom erleben, wie der Fatigue-Begriff die Stigmatisierung von ME/CFS begünstigt(e) und welche Pathomechanismen das Symptom erklären könnten.
Mitarbeit im Netzwerk Universitätsmedizin
Seit dem Herbst 2022 beteiligt sich die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS im Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) in der Arbeitsgemeinschaft Patient*innenvertretung. Die BAG SELBSTHILFE hat uns dazu eingeladen. Auch Long COVID Deutschland und der Fatigatio sind am Netzwerk beteiligt.
Das Netzwerk hat das Ziel, im Bereich der COVID-19-Versorgung Maßnahmenpläne, Diagnostik- und Behandlungsstrategien möglichst aller deutschen Universitätskliniken zusammenzuführen und auszuwerten. Durch diese Vernetzung der Kompetenzen und Ressourcen sollen Strukturen in den Kliniken geschaffen werden, um eine bessere Versorgung sicherzustellen und Forschungsprojekte anzustoßen. Wir setzen uns für die Einbeziehung von ME/CFS ein.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat dieses Jahr eine ausführliche Webseite zu Long COVID veröffentlicht. Leider wurde jedoch weder ME/CFS – die schwerste Form von Long COVID – noch PEM und Pacing ausreichend erläutert. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat gemeinsam mit Long COVID Deutschland, Prof. Dr. Scheibenbogen und Prof. Dr. Behrends einen sechsseitigen Vorschlag mit konkreten Formulierungen für wichtige Ergänzungen und eine zusätzliche eigene Unterseite zu ME/CFS geschickt. Im Anschluss gab es einen Call mit der BZgA. Leider hat die BZgA nur einen kurzen Absatz zu ME/CFS (mit ihrer eigenen Formulierung) auf der Seite ergänzt, dennoch ist es immerhin eine kleine Verbesserung.
Kongress zu Long COVID und ME/CFS
Im November fand in hybrider Form der erste Kongress des Ärzte- und Ärztinnenverbandes Long COVID zusammen mit dem Universitätsklinikum Jena in Jena statt.
Der Kongress stand unter der Schirmherrschaft von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Das zweitägige Programm deckte Aspekte der Forschung und medizinischen Versorgung ab. Zu den Referent*innen gehören u. a. Prof. Dr. Akiko Iwasaki (Yale University, USA), Prof. Dr. Resia Pretorius (Stellenbosch University, Südafrika), Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen (Charité – Universitätsmedizin Berlin) und PD Dr. Dr. Bettina Hohberger (Uniklinikum Erlangen).
Am 19. November boten zudem die Patientenorganisationen Long COVID Deutschland, Deutsche Gesellschaft für ME/CFS, Fatigatio e. V. – Bundesverband ME/CFS und POTS und andere Dysautonomien e. V. mehrere Vorträge und Diskussionsrunden im Rahmen eines Symposiums für Betroffene an. Unser Vorstandsmitglied Sebastian Musch war vor Ort und hielt gemeinsam mit Dr. Claudia Ellert von Long COVID Deutschland einen Vortrag.
Los geht's mit dem Betroffenen-Symposium auf dem #LongCovidKongress in Jena: Sebastian Musch von der @dg_mecfs verdeutlicht, dass #MECFS bereits seit 80 Jahren bekannt ist!
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Viele Grüße aus Jena vom Long-Covid-Kongress @LongDeutschland @dg_mecfs @FatigatioeV @POTSDys
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Bayerisches Netzwerk zur Erforschung von ME/CFS: „Baynet for ME/CFS“
Das Bayerische Wissenschaftsministerium hat die beantragte Förderung für ein Netzwerk zur Erforschung von ME/CFS mit 720.000 Euro bewilligt. Das Projekt Baynet for ME/CFS, an dem sechs bayerische Universitäten beteiligt sind, startete am 15. Oktober 2022 und läuft bis zum 30. September 2023. Die Summe wurde vom Haushalt zusätzlich zur Förderung der ME/CFS-Studie mit BC 007 an der Universität Erlangen i. H. v. 800.000 Euro freigegeben.
Update aus Baden-Württemberg
Aufbauend auf die Anhörung zu ME/CFS im Landtag Baden-Württemberg im Juni, an der neben weiteren Patienteninitiativen und Expert*innen auch die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS einen Vortrag hielt sowie eine ausführliche schriftliche Stellungnahme bereitstellte, wurde am 21. Dezember ein fraktionsübergreifender Antrag von den Grünen, der CDU, SPD und FDP/DVP eingereicht: „Hilfen für Betroffene von Myalgischer Enzephalomyelitis / Chronischem Fatigue-Syndrom sowie Post- und Long-COVID“.
In einem ersten Schritt erhält das Forschungszentrum Villingen Institute of Public Health 30.000 Euro Förderung vom Land Baden-Württemberg für eine Studie zu ME/CFS. Projektleiterin Lotte Habermann-Horstmeier wird mit der Berliner Charité kooperieren. Ziel ist es, einen interdisziplinären Praxisleitfaden und Handlungsempfehlungen für Ärzt*innen im Umgang mit ME/CFS-Erkrankten zu entwickeln. Dazu Petra Krebs MdL, Vorsitzende des Arbeitskreises Soziales, Gesundheit und Integration: „Fehldiagnosen und Unwissenheit verschlimmern die Situation von Erkrankten. Wir wollen insgesamt eine Sensibilisierung im Umgang mit dieser Erkrankung und eine breite Aufmerksamkeit fördern. Klar ist, dass dies erst der Anfang sein kann.“
Zudem hat Petra Krebs MdL ihre diesjährige Weihnachtsspende an die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS gerichtet und in diesem Rahmen über ME/CFS aufgeklärt, vielen Dank!
Antrag im Thüringer Landtag
Der Gesundheitsausschuss im Thüringer Landtag hat einer mündlichen Anhörung des Antrags „Das stille Leiden an ME/CFS beenden: Forschung, Versorgung und Aufklärung stärken“ der FDP zugestimmt. Diese wird im März 2023 stattfinden.
Die Patientenorganisationen hatten den Antrag mit einem offenen Brief unterstützt.
Loot für die Welt
Loot für die Welt ist eine Gruppe aus YouTubern, Streamern, Videoproduzenten und weiteren Unterstützer*innen, die jedes Jahr einen zweitägigen Livestream für den guten Zweck organisieren. Dieses Jahr ging Loot für die Welt in die 9. Runde und die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS gehörte neben dem Tierheim Berlin, der Tafel und Äpfel und Konsorten zu den begünstigten Vereinen. Es kamen insgesamt 503.341 Euro Spenden zusammen. Wir haben 10 % des Gewinns zur Unterstützung unserer Arbeit erhalten. Darüber hinaus wurde ME/CFS durch die Aktion bekannter gemacht. Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Beteiligten und Spender*innen und bei unserem Mitglied, das dem Team von Loot für die Welt die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS vorgeschlagen hat.
Saisonspende des SC Preußen Münster
Das Fanmagazin Nullsechs des Fußballclubs SC Preußen Münster hat die Saisonspende von insgesamt über 7000 Euro an drei Vereine gespendet – einer davon die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS. Darüber hinaus wurde ME/CFS bekannter gemacht. Wir bedanken uns herzlich!
Stellungnahme der Bundesärztekammer

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat im Oktober eine Stellungnahme zum Post-COVID-Syndrom (PCS) veröffentlicht. Zu ME/CFS gibt es einen eigenen Absatz und die Erkrankung wird an mehreren Stellen erwähnt.
„5.12 Myalgische Encephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom
Das ME/CFS ist eine schwere, komplexe, chronische Erkrankung, die häufig durch Viren ausgelöst wird [177], wie das Epstein-Barr-Virus (EBV) und die Coronaviren SARS-CoV-1, SARS-CoV-2 und MERS-CoV. Der Altersgipfel liegt bei älteren Adoleszenten und jungen Erwachsenen. Das Schlüsselsymptom von ME/CFS ist die sogenannte post-exertionelle Malaise (PEM). PEM steht für eine unverhältnismäßige Zunahme der Symptomatik nach oft schon geringer, geistiger oder körperlicher Anstrengung. Bei ME/CFS besteht die PEM typischerweise noch mehr als 14 Stunden und oft bis zu mehreren Tagen nach der auslösenden Aktivität, manchmal wochenlang. Sie kann direkt oder verzögert nach einer Anstrengung auftreten. (…) Für die medizinische Versorgung ist das Ausmaß der PEM ein wichtiger, stratifizierender Faktor, da dieses in der Rehabilitation andere therapeutische Maßnahmen erfordert. Im Besonderen ist eine mögliche PEM in den Folgetagen nach geringer Arbeitsbelastung abzuklären.“
Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Der G-BA soll den gesetzlichen Auftrag erhalten, für einen verbesserte Versorgung von Long-COVID-Betroffenen zu sorgen. Der Auftrag erwähnt jedoch nicht ME/CFS-Betroffene. Dies kritisiert der G-BA in einer Stellungnahme zu diesem Gesetzgebungsvorhaben, die u. a. besagt:
„Wie zuletzt auch das Robert Koch Institut berichtet, leidet ein erheblicher Teil der Patientinnen und Patienten infolge Post- bzw. Long-COVID an einem Symptomkomplex, der dem Krankheitsbild für Myalgische Enzephalomyelitis / Chronic Fatigue Syndrom (ME/CFS) entspricht. Derartige postinfektiöse Syndrome sind bereits nach Infektionen mit anderen Viren beschrieben worden (z. B. Epstein-Barr-Virus (EBV), Influenzaviren, SARS-CoV-1 und Ebolavirus) und im Anschluss an frühere Pandemien gehäuft aufgetreten. Auch für diese Patientinnen und Patienten fehlt es an der erforderlichen flächendeckenden interdisziplinären und standardisierten Diagnostik und einem zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot. Deshalb und wegen der Überschneidungen der Krankheitsbilder und der möglichen Therapieansätze sollte die neue Versorgungsform nicht auf die Ursache einer COVID-Infektion beschränkt, sondern auch begrifflich für Patientinnen und Patienten mit vergleichbarer Ursache bzw. Krankheitsausprägung vorgesehen werden.“
Update zur Petition SIGN for ME/CFS

Zur Petition SIGN für ME/CFS, die innerhalb eines Monats fast 100.000-mal mitgezeichnet wurde, fand im Dezember ein Berichterstattergespräch statt. Die Abgeordneten Simone Borchardt (CDU), Linda Heitmann (Grüne), Erich Irlstorfer (CSU), Martina Stamm-Fibich (SPD) und Ruppert Stüwe (SPD) sowie die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit Sabine Dittmar (SPD) sprachen über ME/CFS und die Anliegen der Petition.
Das Team von SIGN for ME/CFS berichtete darüber und hält auf der Webseite zur Petition über Entwicklungen auf dem Laufenden.
Medienbeiträge seit dem letzten Newsletter im September (Auswahl)
- Berliner Zeitung: Berliner Projekt zu ME/CFS (Link)
- Der Spiegel: Wenn selbst zum Zähneputzen die Kraft fehlt (Link)
- Inforadio: Nicht erkannt, nicht ernst genommen: ME/CFS (Link)
- Deutsche Welle: Unterschätzte Gefahr ME/CFS (Link)
- Der Spiegel: Leben in der Dunkelheit (Link)
- Charité: Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet (Link)
- Berliner Kurier: Weltweit führende Expertin für ME/CFS: Berliner Charité-Professorin ist die einzige Hoffnung für viele Long-Covid-Erkrankte (Link)
- Deutsches Ärzteblatt: Myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS): Wenn nichts mehr geht (Link)
- Interview des Deutschen Ärzteblatts mit Prof. Dr. Scheibenbogen: ME/CFS ist für die allermeisten Betroffenen eine schwere und chronische Erkrankung (Link)
- Radiofeature WDR 5: Long Covid und ME/CFS – Krimi um eine Krankheit (Link und eine akustisch reduzierte Version des Features für schwer Betroffene unter Link)
- Podcast klinisch relevant: ME/CFS: Eine Erkrankung ohne Lobby (Link)
- Berliner Zeitung: Institutsempfehlung könnte Tausende Patienten gefährden (Link)
- Spektrum: So viel mehr als einfach nur müde (Link)
Zum Vormerken: Bundestagsdebatte zu ME/CFS im Januar 2023
Am 19. Januar 2023 findet im Bundestag ab 16:45 Uhr eine 40-minütige Debatte zum Antrag von der CDU/CSU „ME/CFS-Betroffenen sowie deren Angehörigen endlich helfen – Für eine bessere Gesundheits- sowie Therapieversorgung, Aufklärung und Anerkennung“ statt. Die Debatte soll live übertragen werden. Im Anschluss wird der Antrag zur weiteren Beratung an die Ausschüsse weitergeleitet, dabei soll der Gesundheitsausschuss die Federführung übernehmen.
– Unsere Highlights 2022 –
Im Folgenden führen wir die wichtigsten Entwicklungen 2022 stichpunktartig als Überblick auf.
Ausbau der medizinische Aufklärung und Forschung
- Förderung der Nationalen Klinischen Studiengruppe (NKSG) für ME/CFS und Long COVID mit 10 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, Start der ersten Therapiestudien
- Förderung des ME/CFS-Forschungsnetzwerks IMMME durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
- Gründung des Ärztlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS
- Fortbildung für Ärzt*innen von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS mit über 1000 Teilnehmenden
- Sammlung von über 274.000 Euro Spenden für eine ME/CFS-Studie mit BC007 durch die Initiative Wir fordern Forschung
- Zusage für die Förderung der ME/CFS-Studie mit BC 007 i. H. v. 800.000 Euro durch die Landesregierung Bayern und Start des Förderprogramms Baynet
- Start der Versorgungsstudie CFS_Care
- Beteiligung am Stipendiat*innenprogramm der Lost Voices Stiftung für Doktorand*innenstellen mit 16.800 Euro durch die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS
- Neue Förderprogramme der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS mit 50.000 Euro für Studien und bis zu 10.000 Euro für Veröffentlichungen im Open Access pro Jahr
Wachsende politische Anerkennung
- Veröffentlichung des Nationalen Aktionsplans für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom durch die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland sowie Erweiterung um detaillierte Konzepte zu Versorgung, Aufklärung und Grundlagenforschung – Gespräche mit Bundespolitik, Initiieren von Forschungsförderung
- Anhörung zur Petition SIGN for ME/CFS im Bundestag
- Überblick vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags zu ME/CFS
- Aufnahme von ME/CFS in den Koalitionsvertrag NRW
- Anhörung zu ME/CFS im Landtag Baden-Württemberg, darauf aufbauender fraktionsübergreifender Antrag an den Landtag „Hilfen für Betroffene von Myalgischer Enzephalomyelitis / Chronischem Fatigue-Syndrom sowie Post- und Long-COVID“
- Antrag „Das stille Leiden an ME/CFS beenden: Forschung, Versorgung und Aufklärung stärken“ im Thüringer Landtag
- Kooperation mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung Stefan Schwartze MdB
- Immer mehr Politiker*innen und Institutionen organisieren Veranstaltungen zu ME/CFS
- Bundesverdienstkreuz am Bande für Prof. Dr. Scheibenbogen für ihren Einsatz zu ME/CFS
Mehr Öffentlichkeit
- ARD-Reportage: Hirschhausen und Long COVID: Die Pandemie der Unbehandelten
- Neuer YouTube-Kanal mit Videos zu Post-Exertional Malaise und Pacing der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland
- Internationaler ME/CFS-Tag am 12. Mai
- Awareness-Video von ME/CFS-Patient Faraz Fallahi, das in den ersten beiden Tagen nach Veröffentlichung schon rund 500.000-mal angesehen und auch vom Bundesgesundheitsminister geteilt wurde
- Immer mehr Medienberichte, die die Versorgungskrise thematisieren
- Spiegel-Artikel „Man kann sein Leben verlieren ohne zu sterben“ über sehr schweres ME/CFS
- Neugründungen: ME/CFS Research Foundation und ME Kollektiv
- Weitere realistische Pressefotos von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS
- 30 neue Beiträge (zu finden unter Aktuelles) und die neuen Seiten Post-Exertional Malaise, Pacing, Orthostatische Intoleranz, Brain Fog, Fatigue, Ärztlicher Beirat, Forschungsprogramm und Open-Access-Förderung auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS
Vielen Dank für Ihre Unterstützung
Ein herzlicher Dank geht an unsere Mitglieder – ohne Sie wäre die Arbeit der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS nicht möglich!
Wir möchten uns ebenfalls herzlich bei allen bedanken, die unsere Arbeit durch Spenden, durch Aktionen – wie z. B. Geburtstagsspendenaktionen auf Facebook, das Projekt Topflappen für ME/CFS, die Benefiz-Tombola von Musiker Gisbert zu Knyphausen, den Charity-Stream Loot für die Welt und die Saisonspende rund um den SC Preußen Münster – oder durch die Nutzung von Gooding und Amazon Smile unterstützen.
Das Team der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS ist rein ehrenamtlich tätig und die finanziellen Mittel fließen direkt in unsere Projekte und Forschungsförderung.
Falls Sie noch kein Mitglied sind, würden wir uns freuen, Sie als Unterstützer*in der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS begrüßen zu dürfen. Je mehr Stimmen wir bündeln, desto mehr werden wir gehört – auch von medizinisch-wissenschaftlichen Institutionen und in der Politik. Mitgliedschaften ermöglichen uns zudem zu planen und unsere Tätigkeiten auszuweiten. Eine Mitgliedschaft kann hier abgeschlossen und die Beitragsstufe ohne Angabe von Gründen gewählt werden: mecfs.de/unterstuetzen-sie-uns
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Redaktion: jhe