Mediziner:in mit Fragebogen

ME/CFS-Kranke sind hohem Stigma im Umgang mit Ärzten ausgesetzt

Umfrage europäischer Neurologen ergibt: ME/CFS-Kranke sind besonders hohem Stigma im Umgang mit Ärzten ausgesetzt.

Die European Federation of Neurological Associations (EFNA) hat im Rahmen des „World Brain Day 2020“ die Ergebnisse einer Umfrage zu „Stigma und neurologische Erkrankungen“ veröffentlicht. Insgesamt haben den Fragebogen 1373 Menschen aus 37 Ländern ausgefüllt. Darunter auch 402 Menschen mit ME/CFS von denen 61 Deutsche (15 %) waren. Die Fragen für ME/CFS wurden im Schnitt von ca. 250 der 402 Personen beantwortet (die anderen haben die jeweilige Frage übersprungen). Die Zahlen in der Klammer sind die Ergebnisse aller Erkrankungen zusammengenommen.

Auf die Frage, in welchen Lebensbereichen das Stigma am problematischsten ist, sahen 55 % (26 %*) der ME/CFS-Betroffenen die Interaktion mit medizinischem Personal. Danach kamen die Interaktionen mit der Öffentlichkeit und Freunden. In der Gesamtauswahl kam an zweiter Stelle der Beruf. Die anderen beiden Lebensbereiche folgten an Stelle zwei und drei. Der Unterschied ergibt sich daraus, dass lediglich 14 % der befragen ME/CFS-Betroffenen einer Arbeit nachgehen (konnten). Auf die Frage, welche Bereiche die Erkrankung beeinflusst, gaben dementsprechend 90 % (70 %*) „die Möglichkeit zu arbeiten“ an. Der Fragebogen-Abschnitt, der sich auf Arbeit und Ausbildung bezieht, wurde dementsprechend nur von einem kleinen Teil der Befragten beantwortet.

Eine Auswahl der Antworten zu den Abschnitten Medizin und Familie/Freunde:

Medizin

Für ME/CFS-Betroffene in Europa ist es bereits problematisch, von einem Neurologen oder Spezialisten behandelt zu werden. Lediglich 26 % (67 %*) konnten diese Frage bestätigen. Hier zeigt sich eine besonders starke Diskrepanz zu den anderen neurologischen Erkrankungen. Eine knappe Mehrheit von 54 % (35 %*) gab an, einen Termin verschoben oder nicht gemacht zu haben, da sie Scham für ihre Erkrankung empfanden. Lediglich 2 % (20 %*) hatten das Gefühl, das medizinische Personal würde „gut/sehr gut“ verstehen, wie es ist mit ME/CFS zu leben. 68 % sagten „überhaupt nicht“. Die Betroffenen hatten außerdem das Gefühl, dass 95 % (73 %*) des medizinischen Personals ihnen nicht das Ausmaß oder die Schwere der Symptome glaubten. Der gleiche Prozentsatz, 95 % (73 %*), gab an wahrscheinlich keine adäquate oder passende Behandlung bekommen zu haben, weil die Mediziner*innen sie nicht ernst genommen hätten. Dass mit der Erkrankung gestiegene Lebenskosten einher gehen, gaben 73 % (55 %*) an, 13 % (17 %*) waren sich nicht sicher, ob dies zutrifft.

Familie/Freunde

Auch im privaten Bereich der Familie und Freunde geben ME/CFS Betroffene an, von einem Stigma betroffen zu sein. 97 % (64 %*) der Kranken kreuzten an, aufgrund ihrer Erkrankung in den letzten vier Wochen soziale Aktivitäten verpasst zu haben. 63 % (35 %*) wurden schon einmal von einem sozialen Ereignis ihrer Freunde oder Familie ausgeschlossen. Dass die Familie die Konsequenzen der gesundheitlichen Probleme versteht, konnten 34 % (48 %*) zustimmen. Ablehnend haben 38 % (31 %*) geantwortet. 58 % (47 %*) stimmten zu, dass ihnen die Familie manchmal das Gefühl gibt, die Erkrankung zu übertreiben. Der Aussage „Meine Familie glaubt, dass ich mehr machen kann, als ich mich in der Lage fühle“ stimmten 63 % (34 %*) zu.

Auf die Frage nach der Einschätzung zur Ursache des Stigmas waren die Top-Antworten: Falsche Wahrnehmung/Mythen über die Erkrankung, fehlendes Verständnis über die Erkrankung und die Unsichtbarkeit der Krankheit. In der gesamten Umfrage rückten die Mythen von Platz eins auf Platz drei, die anderen beiden Punkte rücken dementsprechend auf.

*Ergebnis der gesamten Umfrage

Die gesamten Ergebnisse des ME/CFS-Fragebogens sind hier zu finden.

Das kumulierte Umfrageergebnisse ist hier zu finden.

Redaktion: tbe
Editor: jhe