Eine Collage aus einem Stethoskop, Labormaterial, DNA und einem Fragebogen

ME/CFS – Science Update 08/2018

Neu: Unser Science- und News-Update

Die Inhalte unserer ME/CFS-Updates sind in den vergangenen Ausgaben stetig gewachsen. Wir freuen uns über die vielen berichtenswerten Ereignisse aus der Forschungswelt und über die mediale Berichterstattung über ME/CFS.

Um weiterhin kurz und knapp über Wissenswertes berichten zu können, haben wir unser Update in zwei Teile aufgeteilt: Das Science-Update mit aktuellen Studien und Berichten aus der Forschung wird in Zukunft am Anfang des Monats erscheinen. Das News-Update mit den Nachrichten aus der internationalen und deutschen Community wird gegen Mitte des Monats erscheinen.

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Aktuelle Studien

Einschränkung des Glukokortikoid-Rezeptors bei ME/CFS?

Meghan Lynn und Kolleg*innen von der Universität Newcastle (England) testeten die Funktion des Glukokortikoid-Rezeptor bei CFS-Patient*innen. Dieser Zellrezeptor leitet u. a. Immunsignale weiter und steuert mehrere Stoffwechselfunktionen.

Die Wissenschaftler*innen verglichen in der Studie 48 CFS-Patient*innen (nach den Fukuda-Kriterien) mit 27 Sjögren-Syndrom-Patient*innen (eine Autoimmunerkrankung mit Austrocknung und Entzündung der Schleimhäute) und 20 gesunden Proband*innen. Die Ärzt*innen testeten die Funktion des Rezeptors einmal in-vivo (innerhalb des Körpers) und ex-vivo (außerhalb des Körpers per Blutentnahme). Dabei triggerten die Ärzte den Rezeptor u. a. mit Dexamethason, um seine Funktion bestimmen zu können. Die Studie erschien im Fachmagazin Mediators of Inflammation.

Die Gruppe stellte fest, dass die Kortisollevel (Stoffwechselhormon, das bei Stress freigesetzt wird und den Stoffwechsel reguliert) innerhalb der CFS-Population stärker schwankten als bei den gesunden Probanden. Einige Teilnehmer hatten sehr hohe Kortisol-Werte, einige sehr niedrige. Zudem wurden Zytokine (wichtige Botenstoffe des Immunsystems) nicht so stark durch Kortisol unterdrückt wie bei den gesunden Proband*innen. D. h. die Immunantwort von CFS-Patient*innen war stärker ausgeprägt. Höhere allgemeine Entzündungswerte wie beim Sjögren-Syndrom ließen sich bei CFS jedoch nicht nachweisen.

Insgesamt deutet dies auf eine (leicht) eingeschränkte Funktion des Glukokortikoid-Rezeptors bei ME/CFS hin. Die Autor*innen sind jedoch vorsichtig und merken an, dass weitere Studien notwendig sind, da ihre Stichprobe relativ klein war und die Werte stark schwankten. Sie gehen auch nicht davon aus, dass der Rezeptor ätiologisch ursächlich für ME/CFS ist. 

Hier geht es zur Studie.
 

Gestörter Energiestoffwechsel in natürlichen Killerzellen von ME/CFS-Patient*innen

Ein Team von Wissenschaftler*innen von der Griffith University (Australien) untersuchte Stoffwechselprozesse bei natürlichen Killerzellen (NK-Zellen, eine Art von weißen Blutkörperchen) von ME/CFS-Patient*innen. NK-Zellen werden als sogenannte Erstabwehr bei einer Immunreaktion aktiviert, wehren Fremdkörper ab und rufen andere Immunzellen herbei. Bei ME/CFS-Patient*innen ist die Aktivität der NK-Zellen jedoch reduziert. Die Autor*innen vermuten, dass dies mit einer gestörten mitochondrialen Atmung und einer gestörten Glykolyse (Umwandlung von Zucker in Energie) in den NK-Zellen zusammenhängt. NK-Zellen wurden aus Blutproben von sechs ME/CFS-Patient*innen und sechs gesunden Kontrollproband*innen entnommen. Die Zellen wurden dann Stresstests unterzogen, um die Kapazität der mitochondrialen Atmung und der Glykolyse zu ermitteln. Die Studie wurde im Fachmagazin Asian Journal of Allergy and Immunology veröffentlicht.  

Ergebnisse zeigten, dass es keine Unterschiede in der mitochondrialen Atmung der NK-Zellen zwischen ME/CFS-Patient*innen und gesunden Kontrollproband*innen gab. Jedoch war die glykolytische Funktion der Zellen bei ME/CFS-Patient*innen reduziert. Die NK-Zellen konnten ihre Glykolyse bei Immunantworten oder Stress nicht adäquat hochfahren und konnten somit die nötige Energie für eine Immunreaktion nicht zur Verfügung stellen.  

Die Ergebnisse sind relevant, weil Glykolyse eine Grundlage für viele Stoffwechselprozesse im Körper darstellt und somit einige Symptome von ME/CFS bedingen könnte. Es ist jedoch weitere Forschung nötig, da die Stichprobe sehr klein war und untersucht werden muss, ob die Gründe für die reduzierte Glykolyseantwort innerhalb oder außerhalb der NK-Zellen zu finden sind.  

Hier geht es zur Studie.

 

Post-Exertional Malaise ist Kernsymptom von ME/CFS

Abigail Brown und Leonard Jason von der DePaul Universität (USA) untersuchten inwieweit die Post-Exertional Malaise (PEM) ein guter Prädiktor für ME/CFS ist und somit die Krankheit gut voraussagbar und diagnostizierbar macht. Dazu sichtete das Team 7000 Studien aus drei großen medizinischen Datenbanken und wertete ca. 30 Publikationen neu aus, die Ergebnisse erschienen in der Fachzeitschrift Journal of Health Psychology.

Brown und Jason kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Post-Exertional Malaise (PEM) um ein Kernsymptom von ME/CFS handelt, welches 10-mal häufiger bei ME/CFS-Patient*innen auftritt als bei den gesunden Kontrollproband*innen, unabhängig von den genutzten Kriterien und der Diagnostik.

Die Studie kam jedoch zu dem Schluss, dass die Rekrutierung von ME/CFS-Patient*innen und gesunden Proband*innen eine Rolle spielt. So war der Effekt größer, wenn die Ärzte die ME/CFS-Patient*innen direkt selbst auswählten, als über die hausärztliche Versorgung oder Krankenhäuser. Die Autor*innen spekulieren, dass Wissenschaftler*innen, die sich länger mit ME/CFS beschäftigten, PEM besser diagnostizieren können und schwerere Fälle auswählen. Auch war der Effekt größer, wenn gegen gesunde Proband*innen getestet wurde als gegenüber anderen Krankheiten.

Insgesamt war die Post-Exertional Malaise jedoch ein sehr robuster und valider Prädikator für die Diagnose von ME/CFS, egal unter welchen Umständen die Patient*innen diagnostiziert wurden.

Jason und Brown weisen jedoch darauf hin, dass in Zukunft neben subjektiven Fragebogen für die Diagnose auch objektive Tests wie der 2DayCPET angewendet werden sollten. 

Hier geht es zur Studie.

 

Stoffwechselprodukte im Blut und Darm als Biomarker für ME/CFS

Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen aus den USA führte eine Studie mit 50 ME/CFS-Patient*innen und 50 gesunden Kontrollproband*innen durch, bei denen verschiedene Stoffwechselprodukte (Metabolite) im Blut und im Darm untersucht wurden. Die Metabolite sollen eine Abgrenzung von ME/CFS-Patient*innen und gesunden Proband*innen ermöglichen. Die Studie erschien im Fachmagazin Nature: Scientific Reports.

Die Analyse umfasste verschiedenste Metabolite (z. B. Hauptprodukte des Stoffwechsels, aber auch biogene Amine wie Histamin, Lipide und Oxylipine), die am Energiestoffwechsel beteiligt sind oder Botenstoffe darstellen. Die Hälfte der ME/CFS-Patient*innen litt zudem am Reizdarmsyndrom. Es zeigte sich, dass anhand der Metabolite gesunde Kontrollproband*innen von ME/CFS-Patient*innen mit hoher Wahrscheinlichkeit unterschieden werden konnten. Zudem zeigten sich unterschiedliche Muster für ME/CFS-Patient*innen mit und ohne Reizdarmsyndrom. Einige der Metabolite hängen mit einer gestörten Darmflora und einem gestörten Energiestoffwechsel in den Mitochondrien der Zellen zusammen. Diese Metabolite könnten also Biomarker für die Diagnostik von ME/CFS und die Unterscheidung von Subgruppen (mit/ohne Reizdarmsyndrom) darstellen, dazu fehlen aber bisher Studien mit weiteren unabhängigen Stichproben.  

Hier geht es zur Studie.  

 

Hinweis: 

Alle Texte sind von uns sorgfältig und nach bestem Wissen erstellt. Sie sind jedoch allgemeiner Art und können nur generell über ME/CFS und die allgemeine Forschungslage aufklären. Bitte verwenden Sie die Informationen nicht als Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen und treffen Sie keine Selbstdiagnosen.

Bei gesundheitlichen Beschwerden konsultieren Sie bitte einen Arzt. Nur eine individuelle Untersuchung kann zu einer Diagnose und ggf. Therapieentscheidung führen. Nehmen Sie Medikamente nur nach Absprache mit einem Arzt oder Apotheker ein.

 

Redaktion: laf, dha