ME/CFS-Update
Wichtige Neuigkeiten der letzten Wochen und aktuelle Projekte
Liebe Unterstützer*innen und Interessierte,
in unserem Update geben wir Ihnen wie gewohnt einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und wichtige Ereignisse rund um das Thema Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS).
Wir freuen uns, im Rahmen des Forschungsprogramms der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS drei neue Forschungsprojekte mit insgesamt 75.000 Euro fördern zu können. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat zudem Informationsblätter zu ME/CFS veröffentlicht und war an einer Publikation beteiligt, die aufzeigt, warum die psychosomatische Sicht auf ME/CFS Betroffenen schadet.
Ein Fokus unserer Arbeit liegt aktuell darauf, sicherzustellen, dass ME/CFS neben Long COVID – wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben – bei allen von öffentlicher Hand geförderten Maßnahmen, wie dem Aufbau von Versorgungsstrukturen, Aufklärung und Forschungsförderung, gleichwertig behandelt wird. Kürzlich hat unser stellvertretender Vorsitzender Sebastian Musch am dritten Runden Tisch zu Long COVID im Bundesministerium für Gesundheit in Berlin teilgenommen, um für die Belange von ME/CFS-Erkrankten – unabhängig vom Auslöser ihrer Erkrankung – einzutreten.
Nachhaltige Verbesserungen in der Versorgung von ME/CFS-Erkrankten erhoffen wir uns über den vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossenen Entwurf einer Richtlinie zur strukturierten Versorgung Long-COVID-Erkrankter und Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen. Die Richtlinie inkludiert explizit ME/CFS-Erkrankte, unabhängig vom Auslöser ihrer Erkrankung, im skizzierten Versorgungspfad und tritt in den nächsten Wochen in Kraft. Der Prozess der Richtlinienerarbeitung wurde vom Fatigatio e. V. als Mitglied der Patientenvertretung begleitet. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hatte eine ausführliche Stellungnahme eingereicht und an einer Anhörung teilgenommen. Die Richtlinie stellt im Gegensatz zu Empfehlungen einen verbindlichen Beschluss dar, sodass dies ein kleiner Meilenstein für die Versorgung Betroffener werden könnte.
Umso unverständlicher und irritierender sind die Meldungen bezüglich der Off-Label-Medikamentenliste zu Long COVID, die derzeit von einer Expert*innengruppe im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erarbeitet wird: Patient*innen, die nach einem anderen Virus oder Auslöser als SARS-CoV-2 an ME/CFS erkrankt sind oder keinen Nachweis über ihre SARS-CoV-2-Infektion haben, sollen nach aktuellem Stand von der Regelung ausgeschlossen werden. Wir haben uns an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gewandt und stehen mit Bundestagsabgeordneten in Kontakt, um uns für die Öffnung der Off-Label-Liste für alle ME/CFS-Erkrankten einzusetzen. Es darf keine Ungleichbehandlung zwischen ME/CFS-Patient*innen mit unterschiedlichen Auslösern geben.
Wir freuen uns, dass die Community aktiver und vernetzter ist als je zuvor und sind im steten Austausch mit vielen weiteren Initiativen. Deutschlandweit finden Trauergänge und Liegenddemos statt. Auch laufen die Vorbereitungen für den internationalen ME/CFS-Tag im Mai: Es sind parallel stattfindende Liegenddemos, organisiert von der gleichnamigen Initiative, mit Programm in 12 Städten (Berlin, Hamburg, Köln, Freiburg, Stuttgart, Magdeburg, Kassel, Bielefeld, Würzburg, Freising, Frankfurt am Main und Alzey) geplant, an denen zudem online von zu Hause aus teilgenommen werden kann, es gibt bereits über 100 Zusagen für die blaue Beleuchtung von Gebäuden im Rahmen der Aktion #LightUpTheNight4ME und über 4000 Anmeldungen für eine von Betroffenen organisierte Online-Forschungskonferenz in der Woche danach.
Diese und viele weitere Neuigkeiten sowie Möglichkeiten, sich einzubringen, finden Sie in unserem ME/CFS-Update.
Herzliche Grüße
das Team der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS
Deutsche Gesellschaft für ME/CFS fördert drei Forschungsprojekte
Wir freuen uns, im Rahmen des Forschungsprogramms der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS dieses Jahr gleich drei Forschungsprojekte mit insgesamt 75.000 Euro fördern zu können.
Die geförderten Projekte sind in den Bereichen Biomarker- und Versorgungsforschung angesiedelt:
- Bedeutung Raman-spektroskopischer Signaturen aus Blutzellen in der ME/CFS-Diagnostik
- Entwicklung und Evaluation interaktiver Seminare für angehende Ärztinnen und Ärzte zur Destigmatisierung von Menschen mit ME/CFS („SEE-ME“)
- Integrierte Versorgung von ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen mittels App-basiertem Telemonitoring
Informationen zu den Forschungsprojekten haben wir in einem neuen Beitrag auf unserer Webseite zusammengestellt.
Dritter Runder Tisch des Bundesministeriums für Gesundheit zu Long COVID
Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit, lud im April zum dritten Runden Tisch zu Long COVID nach Berlin ein. Unser stellvertretender Vorsitzender Sebastian Musch hat erneut gemeinsam mit weiteren Patientenvertreter*innen vor Ort teilgenommen und sich für eine bessere Versorgung von ME/CFS-Patient*innen – unabhängig vom Krankheitsauslöser – eingesetzt.
Themen des Runden Tischs waren eine Förderbekanntmachung zu versorgungsnaher Forschung, die Long-COVID-Richtlinie des G-BA, geplante Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit Long COVID und der Sachstand der Expert*innengruppe Long COVID Off-Label-Use beim BfArM.
Sebastian Musch forderte unter anderem eine klare Stratifikation von ME/CFS als Subgruppe in der Long-COVID-Forschung, eine Versorgung, die sich nach dem klinischen Krankheitsbild richtet, statt nach dem Auslöser, sowie eine eigene Aufklärungskampagne zu ME/CFS.
Er betonte die Wichtigkeit, beim Runden Tisch ME/CFS und andere postinfektiöse Krankheiten mit in den Blick zu nehmen. Das Wissen zu schon länger erforschten postinfektiösen Folgeerscheinungen, wie sie unter anderem nach dem Epstein-Barr-Virus oder der Influenza auftreten, dürfe nicht durch eine Fokussierung auf COVID als Auslöser ignoriert werden. Auch sei die Definition klinisch differenzierter Subgruppen unabdingbar, um beim Thema Long/Post-COVID nicht aneinander vorbeizureden und eine adäquate medizinische Versorgung für alle Betroffenen zu ermöglichen.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hatte zudem bereits im Vorfeld gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit angeregt, weitere ME/CFS-Organisationen zum Runden Tisch einzuladen, da die enorme Versorgungslücke und fehlende Behandlungsmöglichkeiten von Long/Post-COVID die Konsequenz davon sind, dass die postinfektiöse Krankheit ME/CFS in den letzten 40 Jahren massiv vernachlässigt wurde. Zudem teilten wir mit, es vor diesem Hintergrund für angebracht zu halten, zukünftig die Ausrichtung des Runden Tischs auf ME/CFS zu erweitern oder einen eigenen Runden Tisch für ME/CFS zu veranstalten, um die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Gleichbehandlung von ME/CFS und Long COVID zu gewährleisten.
Zur Pressekonferenz des BMG Zur Anzeige der Inhalte klicken
Richtlinie des G-BA zu Long COVID und ME/CFS
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) – das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen – beschloss im Dezember 2023 den Entwurf einer Richtlinie zur strukturierten Versorgung Long-COVID-Erkrankter und Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen. Die Richtlinie inkludiert explizit ME/CFS-Erkrankte, unabhängig vom Auslöser ihrer Erkrankung.
Der Prozess der Richtlinienerarbeitung wurde vom Fatigatio e. V. als Mitglied der Patientenvertretung begleitet. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hatte bereits letzten Herbst mit einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme auf die Berücksichtigung von ME/CFS unabhängig vom Auslöser und auf alle ME/CFS-spezifischen Aspekte und Besonderheiten in der ärztlichen Versorgung hingewiesen und die Positionen der Patientenvertretung im Ausschuss bekräftigt. Darüber hinaus hat sich unser stellvertretender Vorsitzender Sebastian Musch auch in einer mündlichen Anhörung des G-BA für die weitreichende Inkludierung von ME/CFS eingesetzt.
Ein Ausschnitt aus dem Wortbeitrag von Sebastian Musch:
„Ich möchte einen kleinen Exkurs machen: 1934, als hunderte Ärzte und Krankenschwestern nach einem Infekt Langzeitfolgen entwickelten, beobachtete man schon ME/CFS-artige Symptome, wenngleich man diese noch als atypical polio bezeichnete. 1956 traten erneut postinfektiöse Langzeitfolgen nach einer Epidemie am London Free Hospital auf. Schon damals hat man das erste Mal beschrieben, was wir heute unter der Post-Exertional Malaise kennen, und der Name Myalgische Enzephalomyelitis wurde geprägt. Später kam dann die Bezeichnung Chronisches Fatigue Syndrom hinzu. Und ME/CFS ist auch nach SARS-CoV-1 und der Spanischen Grippe dokumentiert. Mittlerweile ist belegt, dass bis zu 50 Prozent der Post-COVID-Erkrankten die Diagnosekriterien einer ME/CFS erfüllen.
ME/CFS als postinfektiöse Erkrankung ist nicht neu, sondern ein etwa hundert Jahre alter blinder Fleck in der Medizin. Die enorme Versorgungslücke und die fehlenden Behandlungsmöglichkeiten bei Long und Post-COVID sind also die direkte Konsequenz davon, dass postinfektiöse Erkrankungen in den letzten 40 Jahren massiv vernachlässigt wurden. (...)
Insofern muss ME/CFS nicht nur als bedeutende Subgruppe von Post-COVID von der Richtlinie abgedeckt werden. ME/CFS muss unabhängig vom Auslöser als postinfektiöse Erkrankung Berücksichtigung finden. Der Präzedenzfall, dass Erkrankte derselben Erkrankung nach einem bestimmten Auslöser versorgt werden, nach anderen Auslösern jedoch nicht, muss vermieden werden. Es dürfen sich nicht Patientinnen oder Patienten erster und zweiter Klasse herausbilden. Das jahrzehntelange Wissen zu postinfektiösen Erkrankungen muss berücksichtigt und darauf aufgebaut werden. Ignoriert man dies weiter, führt es auch zu Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen in der Versorgung von Long- und Post-COVID-Erkrankten.“
Der G-BA hat die tragenden Gründe zur Erstellung der Richtlinie nun mit allen Dokumenten wie Stellungnahmen von Fachgesellschaften und Wortprotokollen der Anhörungen veröffentlicht. Die schriftliche Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS finden Sie in Anlage 3 auf den Seiten 152–179, den Wortbeitrag unseres stellvertretenden Vorsitzenden auf Seite 653.
Der Richtlinienentwurf wurde dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vorgelegt und am 11. April erfolgte die sogenannte Nichtbeanstandung. Die Richtlinie tritt damit, sobald sie in den nächsten Wochen im Bundesanzeiger veröffentlicht wird, in Kraft.
Die Möglichkeit zur Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen wird im Anschluss vom Bewertungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen geprüft, in den der G-BA nicht eingebunden ist. Wir werden nach der Veröffentlichung noch einmal ausführlicher über die Richtlinie berichten.
Geplante Off-Label-Medikamentenliste zu Long COVID
Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Dezember die Expert*innengruppe „Long COVID Off-Label-Use“ einberufen, die ihren Sitz beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat. Da es noch kein zugelassenes Medikament für Long COVID oder ME/CFS gibt, ist das Ziel, eine Liste mit Medikamenten zu erarbeiten, die auch außerhalb der Zulassung verordnet und bezahlt werden können. Dies ist ein begrüßenswerter Ansatz, der Erkrankten zugutekommt, bis mehr Therapiestudien die Zulassung von Medikamenten ermöglichen.
Durch einen Artikel der Berliner Zeitung wurde jedoch Ende Dezember bekannt, dass die Liste ME/CFS-Betroffene mit einem anderen Auslöser als SARS-CoV-2 ausschließen solle. Diese Information wurde durch Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz, die Betroffene stellten, vom BfArM bestätigt.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hält diese Unterscheidung nach Auslösern aus folgenden Gründen für nicht akzeptabel:
- Die Off-Label-Liste wird sich im Kern ohnehin wesentlich auf ME/CFS beziehen. Denn Long COVID ist zwar ein Überbegriff für verschiedene Folgeerkrankungen, doch macht ME/CFS hierbei einen großen Anteil aus. Darüber hinaus gibt es für andere Erkrankungen, die unter Long COVID fallen, größtenteils bereits etablierte Behandlungspfade.
- Fachlich wäre es nicht nachvollziehbar, gesicherte Erkenntnisse zu ME/CFS außer Acht zu lassen. Die Nutzung von Arzneimitteln für Long COVID im Off-Label-Ansatz baut auf Erfahrungen und Studien aus der präpandemischen ME/CFS-Forschung auf (wie Autoimmunität, Störungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems, Viruspersistenz). Auch Klassifikationen und Konzepte wie Post-Exertionelle Malaise und Pacing, die für Long COVID übernommen wurden, stammen aus der ME/CFS-Forschung.
- Die Spaltung der Gruppe der ME/CFS-Betroffenen wäre diskriminierend. An ME/CFS Erkrankte müssen seit Jahrzehnten ohne adäquate Versorgung und Therapieoptionen auskommen. Aufgrund der Stigmatisierung von ME/CFS erhalten sie häufig nicht einmal eine symptomorientierte Basisversorgung beim Hausarzt. Es geht nicht an, dass sie von den Ergebnissen der präpandemischen Forschung ausgeschlossen werden, für die sie sich zur Verfügung gestellt haben, die sie nicht selten angestoßen oder mangels öffentlicher Förderung gar selbst finanziert haben.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat sich in einem Schreiben, das vom Fatigatio e. V. mitgezeichnet wurde, an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach gewandt. Zudem stehen wir mit weiteren Bundestagsabgeordneten in Kontakt, die unsere Bemühungen unterstützen, dass die geplante Off-Label-Liste für ME/CFS-Betroffene mit allen Auslösern geöffnet wird.
Das Vorhaben, eine Off-Label-Liste zu erstellen, wurde (ohne Erwähnung einer Einschränkung) erstmals Anfang Dezember am Runden Tisch Long COVID des Bundesministeriums für Gesundheit kurz angekündigt. Bereits dort hat unser Vorstandsmitglied Sebastian Musch gegenüber Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und den weiteren Anwesenden ausdrücklich betont, dass sich die Verschreibung der Off-Label-Medikamente für ME/CFS nicht auf einen bestimmten Auslöser beschränken darf. In unserem Jahresrückblick berichteten wir darüber.
Informationsblätter zu ME/CFS
Von uns neue, professionell gestaltete Informationsblätter zu wichtigen Themen rund um ME/CFS bieten konkrete Informationen zur direkten Umsetzung und Verbesserung der Situation in der Praxis.
Diese können Sie an Ärzt*innen, Pflegende, Lehrkräfte und weitere interessierte Personen weitergeben.
Die Informationsblätter wurden von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS in Kooperation mit dem Charité Fatigue Centrum der Charité Berlin, dem Chronischen Fatigue Centrum für junge Menschen der TU München und einer Grafikerin erstellt.
Fachartikel veröffentlicht: Warum die psychosomatische Sicht auf ME/CFS Betroffenen schadet
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat Ende Dezember zusammen mit Expert*innen einen Artikel in einer Spezialausgabe der Fachzeitschrift Medicina veröffentlicht: „Why the psychosomatic view on Myalgic Encephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrome is inconsistent with current evidence and harmful to patients“ (übersetzt: „Warum die psychosomatische Sichtweise auf ME/CFS der aktuellen Evidenz widerspricht und Betroffenen schadet“). Der Artikel beschreibt die Stigmatisierung und Fehlbehandlungen von ME/CFS-Betroffenen als Folge fehlgeleiteter Anwendung psychosomatischer Krankheitsmodelle und zeigt deren Unvereinbarkeit mit dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand auf.
Medicina hat den Artikel zudem als Cover-Story für Januar 2024 ausgewählt.
Wir haben den Artikel auf Deutsch auf unserer Webseite zusammengefasst.
Hamburg: Sitzung der LAG Soziales, Gesundheit, Arbeit und Behindertenpolitik der Grünen
Unser stellvertretender Vorsitzender Sebastian Musch hat geneinsam mit NichtGenesen Hamburg, NichtGenesenKids Hamburg und Ärzt*innen an einer 2,5-stündigen Sitzung der Landesarbeitsgemeinschaft Soziales, Gesundheit, Arbeit und Behindertenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen in Hamburg zum Thema ME/CFS teilgenommen. Er gab einen Abriss der Medizingeschichte von ME/CFS sowie einen Ausblick. Im folgenden Gespräch ging es um Aufklärung, unter anderem der Hausärzt*innen, und den Bedarf einer Spezialambulanz, z. B. am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Aufruf zum Mitzeichnen einer Petition an Cochrane
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS unterstützt den offenen Brief des Forums Science for ME an Cochrane: „Open letter to Cochrane – request for action on the ME/CFS Exercise Therapy Review”. Darin wird Cochrane aufgefordert, die überholte und fehlerhafte Review zu GET (Graded Exercise Therapie – deutsch: ansteigendes Training) bei ME/CFS zurückzuziehen. Dies ist wichtig, da die Review international Signalwirkung hat. Cochrane selbst hat bereits 2018 eine Stellungnahme veröffentlicht, dass die Review nicht Cochranes Qualitätsstandards entspricht und daher eine komplett neue Review zum Thema angekündigt (wir berichteten). Die neue Review sollte 2023 veröffentlicht werden, jedoch ist bis heute nicht einmal der erste Arbeitsschritt, das Erarbeiten eines Protokolls, abgeschlossen und es werden nicht, wie zugesagt, monatliche Updates zum Prozess veröffentlicht.
Die alten, nicht evidenzbasierten und schädlichen Informationen zur angeblichen Effektivität von GET bei ME/CFS sind dadurch weiterhin online, mit einem nur versteckt angebrachten Warnhinweis, und werden immer noch zitiert.
Begleitend zum offenen Brief gibt es eine Petition an Cochrane, die weiterhin mitgezeichnet werden kann.
Aufrufe – Vorbereitungen für den internationalen ME/CFS-Tag
Am 12. Mai ist internationaler ME/CFS-Tag. Hier erfahren Sie, wie Sie sich einbringen können.
#LightUpTheNight4ME
Die Initiative #LightUpTheNight4ME ist ein wichtiger und jährlich wachsender Bestandteil des internationalen ME/CFS-Tags am 12. Mai geworden. Weltweit werden öffentliche Gebäude und Sehenswürdigkeiten in Blau – der Symbolfarbe von ME/CFS – beleuchtet.
Letztes Jahr wurden über 70 Gebäude und Denkmäler in Deutschland blau angestrahlt. Für dieses Jahr haben bereits 100 Teilnehmende zugesagt.
Falls Sie sich beteiligen möchten, können Sie öffentliche Gebäude oder Sehenswürdigkeiten aus Ihrer Region anschreiben, mit dem Vorschlag, sich an der Aktion zu beteiligen. Ein Musteranschreiben, Unterstützungsschreiben von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und Erich Irlstorfer MdB sowie einen Flyer, die der Anfrage beigefügt werden können, finden Sie auf der Webseite der Initiative.
Außerdem wird dazu aufgerufen, auch die eigenen Fenster am 12. Mai blau zu beleuchten.
Liegenddemos in 12 Städten
Am 11. Mai, also einen Tag vorher, veranstaltet die Initiative Liegenddemo eine große Liegenddemo in Berlin und parallel stattfindende Liegenddemos in weiteren Städten deutschlandweit.
Das diesjährige Motto lautet: „An ME/CFS erkrankt = vergessen – wie lebendig begraben!”
Es wird ein Programm geben, zu den Sprecher*innen gehören Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Bettina Grande, Vizepräsidentin des Bundestags Katrin Göring-Eckardt (Videobotschaft) und Erich Irlstorfer MdB. In Hamburg wird ein Vertreter der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS teilnehmen und eine Rede halten, an der Demonstration in Berlin beteiligen wir uns mit einer Videobotschaft.
Die Liegenddemos finden in folgenden Städten statt:
- Berlin
- Hamburg
- Köln
- Freiburg
- Stuttgart
- Magdeburg
- Kassel
- Bielefeld
- Würzburg
- Freising
- Frankfurt am Main
- Alzey
In allen 12 Städten werden noch Helfer*innen gesucht, bitte bei Interesse bei der Initiative Liegenddemo melden. Es wird zudem die Möglichkeit geben, von zu Hause aus live über Zoom dabei zu sein und die Aktion auf YouTube zu verfolgen.
Alle aktuellen Informationen zu den teilnehmenden Städten, Uhrzeiten, Programm und die Links für Zoom und YouTube finden Sie in den nächsten Wochen auf den Social-Media-Kanälen der Initiative Liegenddemo.
#Art4MECFS: Kunstaktion zum internationalen ME/CFS-Tag
Für Betroffene und Angehörige, die noch künstlerisch tätig sein können, gibt es in diesem Jahr eine von Betroffenen initiierte kleine Kunstaktion zum Thema „Fenster”. Die Beiträge können am 12. Mai in den sozialen Medien mit dem Hashtag #Art4MECFS gepostet werden.
Weitere Neuigkeiten rund um ME/CFS
Betroffene organisieren internationale Konferenz
Am 15. und 16. Mai 2024 findet eine von Betroffenen organisierte internationale Konferenz mit dem Titel #UniteToFight zu Long COVID und ME/CFS statt. Die Teilnahme erfolgt online und ist kostenlos, man kann sich vorab auf der Webseite der Konferenz dafür anmelden. Unter den vielen bekannten Sprecher*innen sind beispielsweise Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Prof. Dr. Akiko Iwasaki, Prof. Dr. Bhupesh Prusty, Prof. Dr. Ron Davis, Bettina Grande, Dr. Michael Stingl und Dr. David Tuller vertreten, Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach wird ein Grußwort per Videobotschaft halten. Die Vorträge sind auf Englisch.
In den sozialen Medien sind weitere Informationen unter dem Hashtag #UniteToFight2024 und auf den entsprechenden Accounts der Veranstaltenden zu finden.
Fachartikel zur Begutachtung bei ME/CFS
Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen und Kolleg*innen haben einen neuen Fachartikel mit dem Titel „Chronisches Fatigue Syndrom ME/CFS und Komorbiditäten – Begutachtung“ veröffentlicht. Der Artikel ist online verfügbar und wird auch in der nächsten Printauflage des Fachbuchs Die Ärztliche Begutachtung enthalten sein.
Update zur ME/CFS-Initiative der FDP im Thüringer Landtag
Die FDP reichte 2022 einen Antrag im Thüringer Landtag unter dem Titel „Das stille Leiden an ME/CFS beenden: Forschung, Versorgung und Aufklärung stärken“ ein. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat den Antrag unterstützt und darüber berichtet.
Der Gesundheitsausschuss des Thüringer Landtags hat nun einstimmig eine Beschlussempfehlung zur Genehmigung des Antrags abgegeben.
Laut Prof. Dr. Scheibenbogen könnte die Initiative in Thüringen als Vorbild für die Schaffung vergleichbarer Versorgungsstrukturen in allen Bundesländern dienen. Der Antrag enthält detaillierte Forderungen, die Forschung an ME/CFS zu fördern, den Aufbau medizinischer Behandlungs- und Versorgungsstrukturen sicherzustellen und über ME/CFS aufzuklären.
Trauergänge und Liegenddemos in ganz Deutschland
Die im letzten Jahr ins Leben gerufenen Aktionen der Initiative Liegenddemo gehen 2024 weiter. In diesem Jahr fanden bereits Trauergänge mit anschließenden Liegenddemos in Stuttgart, Hamburg, Frankfurt am Main, München, Dresden, Leipzig, Wiesbaden, Ulm, Düsseldorf, Wien, Zürich, Münster und Heidelberg statt, wobei laut Veranstaltenden jeweils mehrere hundert Personen teilnahmen.
In Hamburg war im Januar auch unser stellvertretender Vorsitzender Sebastian Musch dabei und davon berührt, wie viele von ME/CFS betroffene Menschen bzw. ihre Angehörigen oder Freund*innen anwesend waren und demonstrierten.
Weitere Termine und Infos zu den Aktionen veröffentlicht die Initiative Liegenddemo auf ihren Social-Media-Profilen.
Neue Initiative: startaMEvolution
Die neu gegründete Initiative startaMEvolution – ein Team aus ME/CFS-Betroffenen – hat zu Beginn des Jahres ihre Webseite online gestellt.
Internationaler Long COVID Awareness Day
Zum internationalen Long-COVID-Protesttag am 15. März haben in diesem Jahr erneut viele Betroffene in den sozialen Medien auf ihre Situation aufmerksam gemacht und protestiert. Die Initiative NichtGenesen organisierte eine Aktion vor dem Bundestag, bei der 500 Bilder von Erkrankten und ihre Arbeitskleidung an Wäscheleinen hingen, um auch auf die volkswirtschaftlichen Schäden durch fehlende Forschung hinzuweisen.
Zudem fand eine Bundestagsdebatte zur Forschung zu Long COVID, ME/CFS und Post-Vac-Syndrom statt. Anlass war eine große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion.
Crash – Theaterperformance über Long COVID, ME/CFS und das Gesundheitssystem
Am 10. und 11. Mai wird im Leipziger Ost-Passage Theater die Theaterperformance „Crash“ aufgeführt. Die Pacing Company zeigt „die Langzeitfolgen von Viruserkrankungen wie COVID-19 auf der Theaterbühne und dreht den medizinischen Blick um: Statt den Betroffenen liegt die männlich geprägte Medizin auf dem Seziertisch und wird von allen Seiten beleuchtet.“ Das Stück wurde von Betroffenen initiiert und mitgestaltet und soll auch in weiteren Städten aufgeführt werden.
ME/CFS Research Register: neues Informationsportal zu ME/CFS-Forschung
Die ME/CFS Research Foundation hat das „ME/CFS Research Register“ entwickelt und die Beta-Version online gestellt. Das Portal bietet Informationen zu laufenden und bereits abgeschlossenen ME/CFS-Forschungsprojekten, Publikationen, Arbeitsgruppen und mehr. Zunächst wird die Forschung in Deutschland und Österreich abgebildet, zukünftig soll das Register um weitere Länder und Funktionen erweitert werden.
Diagnoseschlüssel für PoTS tritt in Kraft
Seit Anfang des Jahres gibt es erstmals einen Diagnoseschlüssel der WHO für das posturale Tachykardiesyndrom (PoTS). Die Störung des autonomen Nervensystems, die auch im Rahmen einer ME/CFS-Erkrankung auftreten kann, kann nun gemäß der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der 10. deutschen Revision (ICD-10-GM) mit G90.80 kodiert werden.
Aufzeichnung einer Online-Fortbildung der Charité Berlin
Im Februar fand eine Online-Fortbildung des Post-COVID-Netzwerk der Charité – Universitätsmedizin Berlin für Ärzt*innen mit dem Titel „Therapieoptionen bei Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) und Post-COVID-Syndrom“ statt. Referentinnen waren Prof. Dr. Scheibenbogen und Dr. Bellmann-Strobl. Eine Aufzeichnung der Fortbildung ist inzwischen online verfügbar.
Internationale Konferenz zu ME/CFS und Long COVID
Im April fand in Lissabon eine internationale Konferenz zu ME/CFS und Long COVID statt. Unter den Vortragenden war auch Prof. Dr. Scheibenbogen (im Video vom 4. April ab 6:36:36).
Medienberichte
In den letzten Monaten sind wieder viele Medienberichte über ME/CFS erschienen. Wir haben eine Auswahl zusammengestellt. Unser Team führt viele Hintergrundgespräche, gibt Interviews oder vermittelt Interviewpartner*innen.
- Report Mainz: 17 Millionen Betroffene – doch niemand forscht? (Facebook-Clip, Link)
- tagesschau24: Ulrich Timm im Gespräch mit Prof. Carmen Scheibenbogen (Link)
- Channel 4 News: M.E.: Lives devastated – and sufferers told it's made up (Link)
- Hessenschau: Trauergang für Betroffene von ME/CFS in Frankfurt (Link)
- Rheinische Post: Long Covid und ME/CFS in NRW: Betroffene und Experten fordern mehr Hilfe (Paywall, Link)
- Berliner Zeitung: Corona und ME/CFS: Dieses Register gibt Betroffenen Einblick in die Forschung (Link)
- Merkur: Charité-Expertin: Long-Covid-Patienten schlecht versorgt (Link)
- Berliner Zeitung: Charité-Forscherin: „Mich irritiert, dass einige Ärzte Long Covid diskreditieren“ (Link)
- rbb: Medikament nicht für alle Patienten (Link)
- Salzburger Nachrichten: Warnung vor Fehldiagnosen bei Post Covid und ME/CFS (Link)
- BR: Off-Label-Use Medikamente – ME/CFS-Patienten fühlen sich vernachlässigt (Link)
- The Guardian: ‚You don’t want to get better‘: the outdated treatment of ME/CFS patients is a national scandal (Link)
- Plus24.at: Experte: Umgang mit ME/CFS unter „größten Medizinskandalen“ (Link)
- BZ-Talk: ME/CFS: Die vergessenen Patienten (Link)
ZDF-Länderspiegel hat die 17-minütige Reportage „Leben mit ME/CFS: Im toten Winkel des Gesundheitssystems“ ausgestrahlt:
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Vielen Dank für Ihre Unterstützung
Ein herzlicher Dank geht an unsere Mitglieder – ohne Sie wäre die Arbeit der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS nicht möglich!
Wir möchten uns ebenfalls herzlich bei allen bedanken, die unsere Arbeit durch Spenden, durch Aktionen – wie z. B. Geburtstagsspendenaktionen auf Facebook oder das Projekt Topflappen für ME/CFS – und durch die Nutzung von Gooding unterstützen.
Das Team der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS ist rein ehrenamtlich tätig und die finanziellen Mittel fließen direkt in unsere Projekte.
Falls Sie noch kein Mitglied sind, würden wir uns freuen, Sie als Unterstützer*in der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS begrüßen zu dürfen. Je mehr Stimmen wir bündeln, desto mehr werden wir gehört – auch von medizinisch-wissenschaftlichen Institutionen und in der Politik. Mitgliedschaften ermöglichen uns zudem zu planen und unsere Tätigkeiten auszuweiten. Eine Mitgliedschaft kann hier abgeschlossen und die Beitragsstufe ohne Angabe von Gründen gewählt werden: mecfs.de/unterstuetzen-sie-uns
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