Neues Video erklärt Post-Exertionelle Malaise (PEM)
Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland produzieren Aufklärungsvideos
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland haben in den letzten Monaten gemeinsam zwei Aufklärungsvideos produziert: ein Video über Post-Exertionelle Malaise (PEM) und ein Video über Pacing. Die Videos richten sich an Ärzt*innen, Personen aus Gesundheitsberufen und Sozialbehörden, Erkrankte, Angehörige und ihr Umfeld.
Als erstes veröffentlichen wir heute das Video „Was ist Post-Exertionelle Malaise (PEM)?“. PEM, manchmal auch Crash genannt, beschreibt eine unverhältnismäßige Verschlechterung der Symptomatik nach körperlicher, kognitiver oder mentaler Anstrengung. PEM ist das Kernsymptom der Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) und kommt auch bei einem Teil der Long-COVID-Erkrankten vor. Es ist grundlegend wichtig, dass PEM im Gesundheitswesen und darüber hinaus flächendeckend bekannt wird, damit das Auftreten frühzeitig erkannt und mit Pacing als Strategie zum Energiemanagement begonnen werden kann, um die Prognose zu verbessern.
Die beiden Videos sind in Zusammenarbeit mit Expertinnen der Charité Berlin und der TU München entstanden. Die Kreativagentur für Videoproduktion QREATE hat die Postproduktion pro bono übernommen und in stetiger Absprache mit uns unsere Vorstellungen umgesetzt, dafür bedanken wir uns herzlich. Ein Dank gilt auch Mia Diekow von Long COVID Deutschland, die als professionelle Sprecherin das Aufnehmen des Videos übernommen hat und Andreas Krambrich, der Mia gefilmt hat.
Die Videos haben deutsche und englische Untertitel, zudem stellen wir am Seitenende das Transkript bereit.
Sie können das achtminütige Video über PEM hier und auf unserem neuen YouTube-Kanal „ME/CFS und Long COVID erklärt“ abrufen:
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Transkript
Hallo, ich bin Mia.
Ich bin selbst betroffen von ME/CFS (nach COVID) und werde hier gleich etwas über das wichtigste Symptom dieser Erkrankung erzählen. Expertinnen der Charité Berlin und der TU München haben uns bei diesem Video unterstützt.
Wir, das sind die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland.
Vorab: Warum machen wir dieses Video?
Vor allem, weil es schon lange überfällig ist. Denn schon immer sind postinfektiöse Erkrankungen schlecht erforscht und das vorhandene Wissen in der Medizinwelt kaum verbreitet. Und auch die Versorgungslage ist leider mehr als düster. Seit COVID-19 sind Hunderttausende neue Patient*innen hinzugekommen und wir müssen also dringend klären: Was ist Post-Exertionelle Malaise?
Kurze Begriffserklärung: Post-Exertionelle Malaise könnte man wörtlich ungefähr so übersetzen: „nach der Anstrengung kommt die Verschlechterung“. Im Verlauf des Videos werden wir es abkürzen mit PEM. PEM ist das Kernsymptom der Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis, auch Chronisches Fatigue-Syndrom genannt.
Ok, zugegeben viele Fremdwörter, die man kaum aussprechen kann. Aber: Müsst ihr auch nicht unbedingt. Wenn ihr die Abkürzungen ME/CFS und PEM kennt und den Mechanismus dahinter versteht, reicht das erstmal völlig. Das ist die halbe Miete.
ME/CFS tritt häufig nach Infekten auf, wie z. B. dem Pfeifferschen Drüsenfieber, ausgelöst durch das Epstein-Barr-Virus, oder der Grippe und jetzt auch nach COVID-19. Aber: auch schleichende Verläufe sind bekannt. Nach dem ursprünglichen Infekt entwickelt sich plötzlich eine Vielzahl von Symptomen, manchmal sogar mit einigen Monaten Verzögerung. Wie kann sich das äußern?
Die von ME/CFS Betroffenen haben z. B.
- Schwierigkeiten mit dem Kreislauf im Sitzen oder Stehen, häufig in Verbindung mit Herzrasen
- außerdem diverse Formen von Schmerzen
- Konzentrations- oder Merkstörungen, die oft als Nebel im Kopf oder (englisch) „Brain Fog“ beschrieben werden
- ein grippeähnliches Gefühl
- nicht erholsamen Schlaf
und weitere Symptome.
Das Kernsymptom ist eine Belastungsintoleranz, die mit einer Post-Exertionellen Malaise (PEM) einhergeht. Viele Betroffene nennen das auch Crash.
PEM bezeichnet eine Verschlechterung der Symptome nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Die Anstrengung muss hierbei nicht groß sein, also z. B. ein intensives Ausdauertraining, sondern kann im Gegenteil subjektiv als gering empfunden werden, z. B. so etwas wie Körperpflege oder ein Telefonat. Oft tritt diese „Verschlechterung des Zustands nach Aktivität“ um Stunden oder Tage verzögert ein.
Bei einem leichten Verlauf kann das bedeuten, dass Erkrankte z. B. noch arbeiten können, aber den Rest der Zeit ausruhen müssen und auf jede soziale Aktivität oder Sport verzichten müssen, weil dies ihre Überlastungsgrenze überschreiten und PEM auslösen würde.
Bei schwereren Verläufen kann bereits
- Einkaufen
- ein Spaziergang
- Fernsehen
- oder eine Unterhaltung
PEM auslösen und die Symptome verschlechtern. In sehr schweren Fällen ist aufrechtes Sitzen oder „einfach nur“ im Bett Umdrehen nicht mehr möglich, ohne eine zeitweise oder dauerhafte Zustandsverschlechterung auszulösen.
Ganz grob gesprochen kann man sich das wie einen Handyakku vorstellen, der nicht mehr vollständig lädt, egal wie viel man sich ausruht. Jedes Mal, wenn er zu sehr entladen wird, verstärken sich die Symptome und es treten neue auf.
Je schwerer die Erkrankung, desto weniger kann der Akku überhaupt noch laden. Und je niedriger der Akkustand, desto stärker werden die Symptome.
Jede Aktivität kostet Energie. Egal ob es eine körperliche wie Laufen, Kochen oder Staubsaugen oder eine geistige Tätigkeit wie eine Unterhaltung, Lesen oder Fernsehen ist. Bei schwer Erkrankten kann es auch schon eine große Mahlzeit oder ein kaltes Getränk sein.
Wie kann man sich das vorstellen? Man wacht auf. Aufstehen, Duschen, Anziehen. Zack zwei Striche von der Akkuladung weg. Einkaufen? Drei Striche Weg. Noch kurz ein Video auf YouTube gesehen und schnell ein bisschen aufgeräumt? Zack, zwei weitere Striche weg und die Überlastungsgrenze für den Tag ist erreicht. Oder überschritten.
Häufig zeigen individuelle Warnsymptome wie Halsschmerzen oder verstärkter Brain Fog, dass die Überlastungsschwelle erreicht oder überschritten ist. Weil die PEM bis zu 72 Stunden verzögert eintreten kann, ist es für Erkrankte oft schwer einzuschätzen, ob sie die Schwelle überschritten haben und welche Aktivität zu viel war.
Tritt PEM ein, ist die Baseline, also die Energie mit der man morgens startet, noch weiter abgesenkt. Man kann in dieser Zeit noch weniger Tätigkeiten durchführen, bevor es zu einer zusätzlichen PEM bzw. vielen starken Symptomen kommt.
Je weiter man die Überlastungsschwelle überschritten hat, desto stärker sinkt die Baseline ab und desto stärker sind die Symptome. Bei manchen Erkrankten bis hin zur vollständigen Bettlägerigkeit. Dieser Zustand kann Tage bis Wochen anhalten oder zu einem dauerhaften Absinken des Energieniveaus führen.
Klingt schrecklich, ist es auch. Und es drängt sich die Frage auf: Wie kann man das denn verhindern, dass es zu PEM kommt und wie kann ich das Risiko für eine permanente Verschlechterung reduzieren?
Gute Frage: Leider gibt es Stand heute keine wirksamen Therapien. Aber als erkrankte Person kann ich trotzdem wichtige Praktiken lernen, wie ich innerhalb meiner Energiegrenzen bleibe und die Überlastungsschwelle möglichst selten und wenig überschreite.
Das „Zauberwort“ ist: Pacing. Dieses Energie- und Aktivitätsmanagement wurde in den 1980er Jahren für ME/CFS entwickelt. Pacing erklären wir in einem separaten Video.
Hilfreiche Links und weitere Informationen findest du in der Beschreibung.
Und nicht vergessen, egal ob du selbst betroffen bist, oder nicht: Teile das Video mit deinen Freund*innen, Verwandten und Ärzt*innen. Denn auch im Jahr drei nach Beginn der Pandemie haben viele in der Bevölkerung, auch Ärzt*innen, noch nie von Post-Exertioneller Malaise gehört.
Die Macher*innen dieses Videos wünschen euch alles Gute. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!
Redaktion: tel