Gruppenfoto mit Gesundheitsminister Lauterbach und den Patient*innenorganisationen.

Vierter Runder Tisch des Bundesministeriums für Gesundheit zu Long COVID

Vierter Runder Tisch des Bundesministeriums für Gesundheit zu Long COVID

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach lud am 17. September 2024 zum vierten Runden Tisch der BMG-Initiative Long COVID nach Berlin ein. Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS), Sebastian Musch, hat erneut gemeinsam mit weiteren Patientenvertreter*innen vor Ort teilgenommen und eine Versorgung von ME/CFS-Patient*innen – unabhängig vom Krankheitsauslöser – gefordert. Begleitet wurde er von Marie Witt, wissenschaftliche Referentin der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS. Zum ersten Mal war auch die Presse beim Runden Tisch anwesend.

Themen des Runden Tischs waren i) die Versorgungsforschungsprojekte des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses, ii) ein Austausch zum Forschungsstand und neuen Erkenntnissen zu Long COVID und iii) die Vorstellung des von der Expert*innengruppe „Long COVID Off-Label-Use“ vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erarbeiteten „Therapiekompasses“. Dieser dient der symptomorientierten Arzneimitteltherapie und bietet eine Übersicht über geeignete Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen mit dem Ziel, die Versorgung von Patient*innen mit Long COVID zu unterstützen. Der Kompass teilt sich in einen sogenannten In-Label-Use und eine Off-Label-Liste auf. Beim In-Label-Use (S. 7 ff.) werden verschreibungspflichtige Medikamente im Rahmen ihrer bestehenden Zulassung verordnet (also z. B. wenn bei Long COVID ebenso ein Asthma bronchiale oder eine Hypertonie [Bluthochdruck] auftritt). Zudem wurde die Vorgehensweise zur Prüfung der Off-Label-Liste vorgestellt, inklusive der zu bewertenden Wirkstoffe und der Struktur der Evidenzrecherche. Die Evidenzrecherche soll gestuft erfolgen: Nur wenn es keine Forschungsergebnisse im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung gibt, sollen Forschungsergebnisse zu ME/CFS berücksichtigt werden, die nicht im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung stehen (postvirales ME/CFS und ME/CFS nach anderen Auslösern, S. 6).

Sebastian Musch zeigte beim Runden Tisch die dramatische Versorgungslage ME/CFS-Betroffener anhand konkreter Beispiele auf und forderte Forschung und Versorgung, die sich nach dem klinischen Krankheitsbild ME/CFS statt nach dem Auslöser richten. Der Aufbau von Versorgungsstrukturen müsse allen Erkrankten zugutekommen, nicht nur denen nach einer COVID-19-Infektion. Zudem forderte er eine eigene Aufklärungskampagne zu ME/CFS.  Er betonte, dass die aktuell fehlenden Behandlungsmöglichkeiten bei Long COVID die direkte Konsequenz der Vernachlässigung von postinfektiösen Erkrankungen wie ME/CFS oder des Posturalen Tachykardiesyndroms (POTS) in den letzten Jahrzehnten sei. Zudem drängte er auf die im  Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschriebene Gleichbehandlung von ME/CFS und Long COVID. Die zu bewertenden Off-Label-Medikamente für ME/CFS dürften sich nicht auf einen bestimmten Auslöser beschränken. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS positionierte sich bereits im ME/CFS-Update dazu.  Die Nutzung von Arzneimitteln für Long COVID im Off-Label-Ansatz baut unter anderem auf Erfahrungen und Studien aus der präpandemischen ME/CFS-Forschung auf. Erkenntnisse aus der ME/CFS-Forschung müssen für alle ME/CFS-Kranken nutzbar gemacht werden, alles andere wäre für Betroffene diskriminierend.

Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS begrüßt den kontinuierlichen Dialog mit der Politik und die Einbeziehung von Patient*innenvertretungen in die laufenden Diskussionen. Erste Forschungsprojekte wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Bundesministerium für Gesundheit auf den Weg gebracht. Dies ist ein ermutigender Start. Dennoch reichen diese Initiativen nicht aus, um die Versäumnisse in der Forschung der letzten vierzig Jahre aufzuholen. Ein Therapiekompass kann nur dann eine umfassende Hilfestellung für Ärzt*innen sein, wenn dieser für alle Erkrankten zum Einsatz kommt bzw. alle Erkrankten gleichwertigen Zugang zu Medikamenten und Ambulanzen erhalten. Die Off-Label-Liste für den Einsatz von Medikamenten muss ME/CFS nach allen Auslösern berücksichtigen, um die Versorgung und das Leben ME/CFS-betroffener Menschen endlich zu verbessern. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS wird sich weiter dafür einsetzen.

 

Redaktion: MWI, DHA, JRO