Was ist ME/CFS?

ME/CFS gehört zu den letzten großen Krankheiten, die kaum erforscht sind

Die Myalgische Enzephalomyelitis / das Chronische Fatigue Syndrom ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Weltweit sind etwa 17 Mio. Menschen betroffen. In Deutschland wurde die Zahl ME/CFS-Betroffener vor der COVID-19-Pandemie auf etwa 250.000 geschätzt, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche.1 Expert*innen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten durch COVID-19 verdoppelt hat. Damit ist ME/CFS relativ weit verbreitet. Die WHO stuft ME/CFS seit 1969 als neurologische Erkrankung ein.2

ME/CFS ist ein eigenständiges, komplexes Krankheitsbild und nicht mit dem Symptom Fatigue zu verwechseln, das ein typisches Begleitsymptom vieler chronisch-entzündlicher Erkrankungen ist.

ME/CFS-Betroffene leiden neben einer schweren Fatigue (körperliche Schwäche), die das Aktivitätsniveau erheblich einschränkt, unter neurokognitiven, autonomen und immunologischen Symptomen.3

Charakteristisch für ME/CFS ist die Post-Exertionelle Malaise (PEM), eine ausgeprägte und anhaltende Verstärkung aller Symptome nach geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung.4,5,6 Die Post-Exertionelle Malaise führt zu ausgeprägter Schwäche, Muskelschmerzen, grippalen Symptomen und der Verschlechterung des allgemeinen Zustands. PEM tritt typischerweise schon nach geringer Belastung auf. Schon kleine Aktivitäten wie Zähneputzen, Duschen, Kochen oder wenige Schritte Gehen können zur Tortur werden oder Besorgungen im Supermarkt anschließend zu tagelanger Bettruhe zwingen. Für Schwerstbetroffene kann die  PEM bereits durch das Umdrehen im Bett oder die Anwesenheit einer weiteren Person im Raum ausgelöst werden.

Neben der Post-Exertionellen Malaise leiden die Betroffenen unter Symptomen des autonomen Nervensystems wie Herzrasen, Schwindel, Benommenheit und Blutdruckschwankungen. Viele Betroffene können dadurch nicht mehr für längere Zeit stehen oder sitzen. Medizinisch spricht man von der Orthostatischen Intoleranz.

Dazu kommen immunologische Symptome wie ein starkes Krankheitsgefühl, schmerzhafte und geschwollene Lymphknoten, Halsschmerzen, Atemwegsinfekte und eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Viele Betroffene leiden zudem unter ausgeprägten Schmerzen wie Muskel- und Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen eines neuen Typus. Hinzu kommen Muskelzuckungen und -krämpfe, massive Schlafstörungen und neurokognitive Symptome wie Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen (oft als „Brain Fog“ bezeichnet) sowie die Überempfindlichkeit auf Sinnesreize. Schwerstbetroffene müssen deshalb oft in abgedunkelten Räumen liegen und können sich nur flüsternd mit Angehörigen verständigen.

Laut einer Studie der Aalborg Universität aus dem Jahr 2015 ist die Lebensqualität von ME/CFS-Erkrankten im Durchschnitt niedriger als die von Multiple Sklerose-, Schlaganfall- oder Lungenkrebspatient*innen.7 Ein Viertel aller Patient*innen kann das Haus nicht mehr verlassen, viele sind bettlägerig und auf Pflege angewiesen.8  Schätzungsweise über 60 Prozent sind arbeitsunfähig.9

Häufig beginnt ME/CFS nach einer Infektionskrankheit.10 Verschiedene Pathogene sind als Auslöser bekannt, so z. B. das Epstein-Barr-Virus11 und die Influenza12. Nach der SARS-Pandemie 2002/2003 entwickelte ein Teil der Erkrankten ME/CFS.13 Seit Beginn der COVID-19-Pandemie zeigt sich ebenfalls, dass eine Subgruppe nach einer Coronainfektion ME/CFS entwickelt. Daher wird mit einer deutlichen Zunahme ME/CFS-Erkrankter gerechnet.14,15

Die genauen Mechanismen der Erkrankung sind bisher noch ungeklärt. Neuere Studien weisen auf eine mögliche Autoimmunerkrankung16,17 und eine schwere Störung des Energiestoffwechsels18 hin. Ein validierter Biomarker fehlt bislang, sodass die Diagnose ME/CFS nach differenzialdiagnostischer Abklärung anhand etablierter klinischer Kriterienkataloge gestellt wird.19 Für ME/CFS gibt es bisher keine zugelassene kurative Behandlung oder Heilung.20

Wie wird ME/CFS diagnostiziert?

ME/CFS wird aktuell anhand klinischer Kriterien diagnostiziert. Das bedeutet, dass nach einer Differentialdiagnostik (Untersuchung, welche Erkrankung vorliegen könnte) anhand eines spezifischen Symptomkomplexes eine Diagnose gestellt wird. Nach der ICD (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) in der Revision 10, wird ME/CFS mit dem Diagnoseschlüssel G93.3 kodiert. International etabliert sind die Kanadischen Konsenskriterien (CCC). Aber auch die für die Praxis entwickelten Kriterien des Institute of Medicine (IOM) werden gelegentlich verwendet, um die Diagnose zu stellen.

Eine Übersicht über die Diagnosekriterien inklusive der entscheidenden Symptome bietet die folgende Grafik. Patient*innen finden weitere Informationen zur Diagnose und Arztsuche in den FAQ, sowie dem Informationsblatt "ME/CFS – Diagnose, Behandlung und Hinweise zur Betreuung". Ärzt*innen finden Informationsmaterial sowie eine akkreditierte Online-Fortbildung zu ME/CFS im Ärztebereich und auf der Seite des Charité Fatigue Centrums.

Wie wird ME/CFS behandelt?

Die Behandlung von ME/CFS erfolgt derzeit nur symptomorientiert. Eine kausale Therapie, die ME/CFS heilt oder den Zustand maßgeblich verbessert, gibt es bisher nicht. Einzelne Symptome, wie beispielsweise Schlafstörungen, Schmerzen oder die Orthostatische Intoleranz zu behandeln, kann jedoch Linderung verschaffen und die Lebensqualität der Erkrankten partiell verbessern. Hinweise zu Medikamenten finden Ärzt*innen im Ärzteportal und auf der Seite des Charité Fatigue Centrums.

Das wichtigste Element des Symptommanagements bei ME/CFS ist das sogenannte Pacing. Beim Pacing geht es darum, dass ME/CFS-Erkrankte innerhalb ihrer durch die Krankheit vorgegebenen pathologischen Belastungsgrenze bleiben, um keine Zustandsverschlechterung aufgrund der Post-Exertionellen Malaise auszulösen. Im Zentrum von Pacing stehen körperliche und geistige Schonung. Eine umfangreiche Anleitung zum Pacing finden Sie hier.

Welche Schweregrade von ME/CFS gibt es?

ME/CFS wird in die Schweregrade mild, moderat, schwer und sehr schwer eingeteilt. Die Schweregrade gehen fließend ineinander über und können im Verlauf der Krankheit schwanken. Einzelne Betroffene können zudem eine Kombination von Symptomen unterschiedlicher Schweregrade erleben, z. B. sehr schwere kognitive Beeinträchtigungen verbunden mit etwas weniger schwerer körperlicher Einschränkung und Orthostatischer Intoleranz – oder umgekehrt. Die folgende Einordnung orientiert sich an der Auflistung der Schweregrade in der britischen NICE-Leitlinie, auf die auch das Kapitel zu ME/CFS in der deutschen DEGAM-Leitlinie Müdigkeit und der IQWiG-Bericht Bezug nehmen.

Mildes ME/CFS:

Mild Erkrankte sind – verglichen mit ihrem Funktionsniveau vor der Erkrankung – deutlich eingeschränkt. Betroffene sind weitestgehend selbstständig, benötigen aber eventuell Unterstützung bei Haushaltstätigkeiten. Trotz Einschränkungen in der Mobilität sind sie meist noch berufstätig oder in der Ausbildung. Um dies zu bewältigen, müssen sie oft auf Freizeitaktivitäten verzichten, ihre Arbeitszeiten reduzieren und besonders auf Erholungsphasen achten.

Moderates ME/CFS:

Personen mit mittelschwerem ME/CFS sind in ihrer Mobilität und allen täglichen Aktivitäten stark eingeschränkt. Sie müssen in der Regel ihre berufliche Tätigkeit oder Ausbildung aufgeben. Typisch sind Schwankungen im Symptomverlauf. Das geringe Funktionsniveau zwingt Erkrankte, verbliebene Aktivitäten gut zu planen und umfangreiche Pausen einzulegen. Außerhaustermine, wie Einkaufen, Arzt- oder Behördenbesuche, führen in der Regel zu einer (zeitweisen) Verschlechterung des Gesundheitszustands (Post-Exertionelle Malaise).

Schweres ME/CFS:

Rund 25 Prozent der ME/CFS-Patient*innen sind schwer oder sehr schwer betroffen. In schweren Fällen können Betroffene oft nur minimale Aufgaben wie Gesichtwaschen oder Zähneputzen selbst erledigen. Viele alltägliche Aktivitäten (wie zum Beispiel Kochen, Duschen, Putzen) können sie nicht mehr selbstständig durchführen, ohne eine Verschlechterung des Gesundheitszustands (PEM) auszulösen. Sie leiden unter schwerwiegenden kognitiven und orthostatischen Problemen und sind in der Regel auf einen Rollstuhl angewiesen. Der Großteil ihres Lebens spielt sich im Haus oder im Bett ab, wobei starke Sensibilität gegenüber Licht und Geräuschen besteht.

Sehr schweres ME/CFS:

In diesem Stadium der Erkrankung sind Betroffene vollständig auf Hilfe angewiesen und vollständig ans Bett gebunden. Sie benötigen Unterstützung bei der persönlichen Hygiene und der Nahrungsaufnahme. Eine extreme Empfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen (Licht, Geräusche, Gerüche) ist typisch und viele Betroffene sind kaum noch oder gar nicht mehr in der Lage zu sprechen. In manchen Fällen ist eine Ernährung über eine Sonde erforderlich.

Wie ist der Stand der Forschung zu ME/CFS?

Es gibt wahrscheinliche keine Krankheit, die in Relation so häufig, schwerwiegend und dabei so unerforscht ist wie ME/CFS. Wie der Artikel zum Rückstand der Forschung aufzeigt, ist die ME/CFS-Forschung in Bezug auf die Menge der wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Vergleich zu beispielsweise der Multiplen Sklerose ca. 40 Jahre im Rückstand. ME/CFS hat in den letzten Jahrzehnten in vielen Ländern keine oder nur sehr wenig staatliche Forschungsförderung erhalten. Es gib viele kleine Studien, die pathologische Auffälligkeiten bei ME/CFS gefunden haben. Diese wurden jedoch aufgrund der geringen finanziellen Mittel selten in größeren Studien reproduziert. In Deutschland gab es bis vor wenigen Jahren noch keine Förderung der ME/CFS-Forschung. Seit ca. 2020 gibt es erste öffentliche Forschungsförderungen. Große deutsche Forschungsprojekte sind unter anderem das Projekt zur Grundlagenforschung IMMME sowie die Nationale Klinische Studiengruppe, welche Therapiestudien zu ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom durchführt.

Ist Long COVID oder Post-COVID dasselbe wie ME/CFS?

Long COVID ist ein von Patient*innen etablierter Begriff für über Wochen oder Monate anhaltende neu aufgetretene Symptome nach einer akuten COVID-19-Erkrankung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von Post-COVID nach 3 Monaten anhaltender Symptomatik. Long COVID ist ein Überbegriff für verschiedene Krankheitsbilder. Wie im Übersichtsartikel zu Long COVID dargestellt, erfüllen Studien zufolge bis zu 50 Prozent der Erkrankten nach 6 Monaten die Kriterien für ME/CFS. Expert*innen rechnen daher mit einem drastischen Anstieg der Zahl der ME/CFS-Erkrankten weltweit.

Was sind die Symptome von ME/CFS?

Die folgende Auflistung orientiert sich in der Beschreibung der Symptomatik von ME/CFS an den Kanadischen Konsenskriterien für Kliniker (2005) und dem Bericht des Institute of Medicine (2015). Die Auflistung der Symptomatik erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern beschreibt die häufigsten Symptome. Nicht jeder ME/CFS-Betroffene hat alle aufgeführten Symptome. Vorkommen, Art und Intensität der Symptome können von Betroffenem zu Betroffenem variieren.

Kernsymptome:

Schlafstörungen:

  • Einschlafstörungen
  • Durchschlafstörungen
  • veränderter Tag-Nacht-Rhythmus
  • nicht erholsamer Schlaf

Schmerzen:

  • Gelenkschmerzen
  • Muskelschmerzen
  • Nervenschmerzen
  • Kopfschmerzen

Autonome/orthostatische Symptome:

  • Orthostatische Intoleranz
  • Schwindel bei Lagewechsel
  • Herzrasen
  • extreme Blässe
  • Atemnot bei leichter Belastung
  • Darmstörung
  • Blasenstörung

Neurologische/kognitive Symptome:

  • Brain Fog
  • Konzentrationsstörungen
  • Gedächtnisstörungen
  • Wortfindungsstörungen
  • ausgeprägte Reizsensibilität v. a. gegenüber Geräuschen und Licht
  • Bewegungskoordinationsstörungen
  • Muskelschwäche
  • Muskelzuckungen

Neuroendokrine Symptome:

  • gestörte Anpassung der Körpertemperatur
  • Schwitzen, fiebriges Gefühl
  • schlechte Verträglichkeit von Hitze und Kälte
  • kalte Hände oder Füße
  • Stress wird schlechter verarbeitet

Immunologische Symptome:

  • grippeähnliche Symptome, allgemeines Krankheitsgefühl
  • wiederkehrende Halsschmerzen
  • schmerzhafte Lymphknoten
  • neu aufgetretene Allergien und Unverträglichkeiten

Symptome im Detail

Post-Exertionelle Malaise bezeichnet die für ME/CFS typische Verschlechterung der Symptomatik nach körperlicher und geistiger Aktivität. Sie wird von Klinikern und Forschern als das Leitsymptom von ME/CFS angesehen.

Die Post-Exertionelle Malaise tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf. So berichten einige Betroffene, dass schon der Gang zur Toilette ausreicht, um ihre Symptome zu verschlechtern. Bei anderen Erkrankten tritt die PEM nach einem Einkauf im Supermarkt oder nach einem längeren Spaziergang auf. Typischerweise löst die PEM nach körperlicher Aktivität viele andere Symptome aus, wie ein grippales Gefühl, leichtes Fieber, geschwollene Lymphknoten, Muskelschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, „Brain Fog“, Kopfschmerzen, Herzrasen, Schwindel und eine bleierne Erschöpfung.

Patienten sprechen selbst oft von einem „Crash“, was auf Englisch (körperlicher) Zusammenbruch bedeutet. Auch kognitive oder angenehme Aktivitäten wie Lesen oder ein Gespräch können die PEM auslösen.

Der Begriff Fatigue steht in der Medizin für eine krankhafte Erschöpfung oder Schwäche, die über das normale Maß hinausgeht. Einige Ärzte ordnen die chronische Fatigue ebenfalls als Leitsymptom von ME/CFS ein, da die meisten Patienten an ihr leiden.

Die Fatigue ist bei ME/CFS besonders schwer ausgeprägt. Auch moderat Betroffene verzeichnen einen Leistungsabfall von über 50 Prozent. So haben ME/CFS-Kranke in Studien regelmäßig die niedrigsten Vitalitäts- und Funktionalitätsraten aller chronischen Erkrankungen. Erkrankte beschreiben sie als „Erschöpfung, Schwäche, Mangel an Energie, die Unfähigkeit für längere Zeit zu stehen oder einige Häuserblocks weit zu gehen“ (IOM-Bericht, S. 74), in schwere Fällen sind die Patienten tagelang zu erschöpft, ihre Kleidung zu wechseln, sich zu waschen oder sogar zu sprechen. Schon der Gang zur Toilette kann dazu führen, dass Erkrankte stundenlang ruhen müssen. In sehr schweren Fällen sind Patienten vollständig bettlägerig und müssen evtl. künstlich ernährt werden.

Typischerweise wird die Fatigue durch Ruhephasen und Schlaf bei ME/CFS nicht oder nur kaum gelindert.

Orthostatische Intoleranz (OI) bezeichnet die Unfähigkeit des Körpers den Kreislauf an eine aufrechte Position anzupassen. Sie tritt oft im Stehen, aber auch im Sitzen auf und geht u. a. mit Schwäche, Schwindel, Herzrasen, Herzklopfen, hohem oder niedrigem Blutdruck, Blässe und Atemnot einher. Typischerweise wird die Symptomatik schlimmer, je länger sich der Patient in aufrechter Position befindet, legt er sich wieder hin, verbessern sich die Symptome oder verschwinden teilweise ganz.

Die OI tritt auch bei anderen Erkrankungen auf, die jedoch ebenfalls wenig erforscht sind, z. B. bei dem Posturalen Orthostatischen Tachykardiesyndrom (POTS) oder der Neural-vermittelten Hypotension (NMH).

Zu den neurokognitiven Symptomen gehören u. a. Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen, Merkstörungen, Verlust der Fähigkeit zum Multitasking und „Brain Fog“. Erkrankte bezeichnen damit das Gefühl, dass ihr Gehirn wie vernebelt wirkt und sie kaum klar denken können. Brain Fog tritt oft nach Aktivität auf.

Einige Patienten leiden ebenfalls unter neurologischen Symptomen wie der Hypersensibilität auf Licht, Geräusche und Gerüche. Auch Ataxien (Störung der Bewegungskoordination) kommen vor.

Erkrankte bekommen oft vermehrt Infekte, die sich länger als üblich hinziehen. Typisch sind obere Atemwegsinfekte und Halsschmerzen, es kann aber auch zu anderen Infekten kommen.

Zu den immunologischen Symptomen gehören Fiebrigkeit, ein grippales Gefühl, geschwollene und schmerzhafte Lymphknoten, Infektanfälligkeit und wiederkehrende Halsschmerzen.

Schlafstörungen sind unter ME/CFS-Patienten sehr verbreitet und schwerwiegend. Oft kommt es zu Durchschlafstörungen. Der Schlaf ist leicht und nicht erholsam. Erkrankte wachen wie gerädert auf. Auch ein gekippter Tag/Nachtrhythmus wird oft beobachtet.

Die Muskeln schmerzen schon nach geringer Anstrengung übermäßig und großflächig, ähnlich einem Muskelkater. Dazu kommt es in schwereren Fällen zu Faszikulationen (Muskelzuckungen) und wiederkehrenden Krämpfen.

Einige Patienten leiden unter extrem starken Kopfschmerzen eines neuen Typus, ähnlich einer Migräne, die tagelang andauern können.

Patienten beschreiben oft einen verschwommenen Blick, Akkomodationstörungen (eingeschränktes Scharfstellen der Linsen) oder einen Tunnelblick.

Verschiedene Bezeichnungen für ME/CFS

Chronic Fatigue Syndrome (CFS)

Die Bezeichnung wurde 1988 von den Centers of Disease Control and Prevention (CDC) eingeführt. Die amerikanische Gesundheitsbehörde untersuchte 1984 den Ausbruch einer chronischen grippeähnlichen Erkrankung  am Lake Tahoe in Nevada.21 Die Kommission brachte den Ausbruch mit dem Epstein-Barr-Virus in Verbindung. 1988 führte sie für das Chronische Epstein-Barr-Virus-Syndrom die Bezeichnung Chronic Fatigue Syndrome ein.22 In Deutschland werden auch die Begriffe Chronisches Erschöpfungssyndrom oder Chronisches Müdigkeitssyndrom  verwendet. Dies ist problematisch, da Fatigue in der Medizin eine krankhafte Erschöpfbarkeit bezeichnet und daher von Müdigkeit abzugrenzen ist. Der Name Chronisches Fatigue Syndrom ist seit jeher unter Ärzten und Patienten umstritten, da er zur Stigmatisierung und Bagatellisierung von ME/CFS als einfache Müdigkeit und Erschöpfung beiträgt und die Schwere der Krankheit sowie die komplexe Symptomatik nicht beschreibt.23 CFS wird vor allem in den USA und Kontinentaleuropa verwendet.

Myalgische Enzephalomyelitis (ME)

Die Bezeichnung wurde vom britischen Arzt Melvin Ramsay nach einem Ausbruch am Royal Free Hospital in London geprägt. Ca. 300 Ärzte und Krankenschwestern entwickelten im Sommer 1955 über mehrere Monate schwere neurologische Symptome mit anhaltender Muskelschwäche.24 Der Name bedeutet auf Altgriechisch „Entzündung des Gehirns und Rückenmarks mit Muskelbeteiligung“. Viele Patienten  und Ärzte bevorzugen den Begriff, da er die Schwere der Symptomatik besser abbildet als CFS.25 Einige Studien geben zwar Hinweise auf Entzündungen im zentralen Nervensystem,26,27 allerdings steht bis heute der endgültige Beweis für eine umfassende Entzündung des zentralen Nervensystems aus. ME wird vor allem in Großbritannien und in den skandinavischen Ländern verwendet.

ME/CFS

In den letzten Jahren setzte sich unter einigen Wissenschaftlern und Ärzten, die ME/CFS biomedizinisch erforschen, der Hybridbegriff ME/CFS durch. Dieser wird vor allem verwendet, da die gängigen klinischen Kriterien von ME und CFS sich überschneiden.28 Zudem gehen einige Ärzte davon aus, dass es sich bei ME und CFS um dieselbe Erkrankung handelt, da sich die Symptomatik stark ähnelt. Bis die Ätiopathologie geklärt ist, verwenden daher viele Wissenschaftler und immer mehr Gesundheitsbehörden und Leitlinien weltweit den Hybrid ME/CFS.

Systemic Exertion Intolerance Disease (SEID)

2015 schlug das amerikanische Institute of Medicine (heute National Academy of Medicine) den Namen SEID vor. Dieser steht für Systemic Exertion Intolerance Disease, auf Deutsch Systemische Belastungsintoleranz-Erkrankung. Das IOM wollte mit diesem Namen vor allem die ausgeprägte Belastungsintoleranz bzw. Post-Exertionelle Malaise von ME/CFS-Patienten betonen.29 Der Name hat sich allerdings bis heute in Wissenschaft und Praxis nicht durchgesetzt.

Chronic Fatigue Immune Dysfunction Syndrome (CFIDS)

Ein weiterer Name für ME/CFS, der auf die mit der Erkrankung einhergehenden Immundefekte hinweist. Die Bezeichnung war in den 90er Jahren in den USA gebräuchlich, hat sich aber klinisch nicht durchgesetzt. Wird heute kaum noch verwendet.30

Literaturnachweise

  1. Scheibenbogen et al. (2019), Chronisches Fatigue-Syndrom/CFS – Praktische Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie, Ärzteblatt Sachsen, 26–30, Sächsische Landesärztekammer, Dresden.
  2. ICD-8 Code 323; aktuell in Verwendung ICD-10 G.93.3.
  3. Carruthers B, van de Sande M (2005), Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: A Clinical Case Definition and Guidelines for Medical Practitioners, An Overview of the Canadian Consensus Document, The National Library of Canada.
  4. Institute of Medicine (2015), Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Redefining an Illness, National Academies Press, Washington, DC.
  5. Stussman et al. (2020), Characterization of Post-exertional Malaise in Patients With Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome, Frontiers in neurology, 11, 1025, https://doi.org/10.3389/fneur.2020.01025.
  6. https://www.cdc.gov/me-cfs/symptoms-diagnosis/symptoms.html, abgerufen am 28.05.2021.
  7. Hvidberg et al. (2015), The Health-Related Quality of Life for Patients with Myalgic Encephalomyelitis / Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS), PlosOne, doi: 10.1371/journal.pone.0132421.
  8. Siehe Fn. 4.
  9. Bateman et al. (2014), Chronic fatigue syndrome and comorbid and consequent conditions: evidence from a multi-site clinical epidemiology study, Fatigue: Biomedicine, Health & Behavior, doi: 10.1080/21641846.2014.978109.
  10. Froehlich, L., Hattesohl, D. B., Jason, L. A., Scheibenbogen, C., Behrends, U., & Thoma, M. (2021). Medical care situation of people with myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome in Germany. Medicina, 57(7), 646.
  11. Jason et al. (2020), Risks for Developing Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome in College Students Following Infectious Mononucleosis: A Prospective Cohort Study, Clinical Infectious Diseases, https://doi.org/10.1093/cid/ciaa1886.
  12. Magnus, P., Gunnes, N., Tveito, K., Bakken, I. J., Ghaderi, S., Stoltenberg, C., ... & Håberg, S. E. (2015). Chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis (CFS/ME) is associated with pandemic influenza infection, but not with an adjuvanted pandemic influenza vaccine. Vaccine, 33(46), 6173-6177.
  13. Islam, M. F., Cotler, J., & Jason, L. A. (2020). Post-viral fatigue and COVID-19: lessons from past epidemics. Fatigue: Biomedicine, Health & Behavior, 8(2), 61-69.
  14. González-Hermosillo, J. A., Martínez-López, J. P., Carrillo-Lampón, S. A., Ruiz-Ojeda, D., Herrera-Ramírez, S., Amezcua-Guerra, L. M., & Martínez-Alvarado, M. D. R. (2021). Post-Acute COVID-19 Symptoms, a Potential Link with Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: A 6-Month Survey in a Mexican Cohort. Brain Sciences, 11(6), 760.
  15. Kedor, C., Freitag, H., Meyer-Arndt, L. et al. A prospective observational study of post-COVID-19 chronic fatigue syndrome following the first pandemic wave in Germany and biomarkers associated with symptom severity. Nat Commun 13, 5104 (2022). doi: 10.1038/s41467-022-32507-6
  16. Sotzny et al. (2018), Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome – Evidence for an autoimmune disease, Autoimmun Rev. 17: 601-609, doi: 10.1016/j.autrev.2018.01.009.
  17. Wirth, K., & Scheibenbogen, C. (2020). A Unifying Hypothesis of the Pathophysiology of Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS): Recognitions from the finding of autoantibodies against ß2-adrenergic receptors. Autoimmunity reviews, 19(6), 102527.
  18. Fluge Ø et al. (2017) Metabolic profiling indicates impaired pyruvate dehydrogenase function in myalgic encephalopathy/chronic fatigue syndrome, JCI Insight. 2017;1(21):e89376. doi: 10.1172/jci.insight.89376.
  19. Siehe Fn. 3 und 4.
  20. Toogood et al. (2021), Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome (ME/CFS): Where will the drugs come from? Pharmacological Research, Volume 165, https://doi.org/10.1016/j.phrs.2021.105465.
  21. https://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/00000740.htm, abgerufen am 28. Mai 2021.
  22. Holmes et al. (1988), Chronic fatigue syndrome: a working case definition, Ann Intern Med. 1988 Mar;108(3):387-9, doi: 10.7326/0003-4819-108-3-387.
  23. Siehe Fn. 4.
  24. Ramsey et al (1955), An Outbreak of Encephalomyelitis in the Royal Free Hospital Group, Br Med J 1957;2:895, https://doi.org/10.1136/bmj.2.5050.895.
  25. Carruthers et al (2011), Myalgic encephalomyelitis: International Consensus Criteria, J Intern Med. 2011 Oct; 270(4):327-38, doi: 10.1111/j.1365-2796.2011.02428.x.
  26. Nakatomi et al. (2014), Neuroinflammation in Patients with Chronic Fatigue Syndrome/Myalgic Encephalomyelitis: An ¹¹C-(R)-PK11195 PET Study, J Nucl Med. 2014 Jun; 55(6):945-50, doi: 10.2967/jnumed.113.131045.
  27. Younger et al. (2019), Evidence of widespread metabolite abnormalities in Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome: assessment with whole-brain magnetic resonance spectroscopy, Brain Imaging and Behavior, doi: 10.1007/s11682-018-0029-4.
  28. Abigail et al. (2013), Contrasting Case Definitions: The ME International Consensus Criteria vs. the Fukuda et al. CFS Criteria, N Am J Psychol. 2013 Mar 1; 15(1): 103–120.
  29. Siehe Fn. 4.
  30. http://me-pedia.org/wiki/CFIDS, abgerufen am 28. Mai 2021.