Eine Zeitung liegt auf einem Tisch

ME/CFS-Update 04/2017

Wichtige Ereignisse aus den letzten Wochen

Mit dem „ME/CFS-Update“ informieren wir über wichtige Ereignisse aus den letzten Wochen. Welche Neuigkeiten gibt es international und in Deutschland über ME/CFS? Was geschieht in der Forschungswelt? Wer hat sich zu Wort gemeldet? Wo ist ein wichtiger Artikel erschienen? In informativen Kurzbeiträgen berichten wir aus aller Welt.

 

ME/CFS im Focus 

Das Magazin Focus widmete sich in seiner Online-Ausgabe im April gleich zweimal dem Thema ME/CFS. Autorin Monika Preuk berichtete im ersten Artikel über mögliche Symptome und die allgemeine Versorgungssituation der Erkrankten in Deutschland. Sie zitierte Professorin Scheibenbogen von der Immundefekt-Ambulanz der Charité in Berlin, ging auf neuere Forschungsergebnisse ein und betonte, dass körperliche Anstrengung die Krankheit verschlimmert. 

Ein weiterer Artikel der Autorin erlaubte den Lesern dann einen sehr persönlichen Einblick in das Leben einer schwer an ME/CFS erkrankten Patientin. Die ehemals sportbegeisterte Frau wurde im Verlauf der Erkrankung bettlägerig und pflegebedürftig. Sie erzählt von gesundheitlichen und sozialen Problemen, herben Enttäuschungen und dem Alltag am finanziellen Existenzminimum. Von ihrem Mut, ihrer Stärke und ihrer Liebe. 

Diese sehr lesenswerte Reportage zeigt einfühlsam und anschaulich, was es bedeutet, mit schwerem ME/CFS zu leben.

http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/immunsystem/chronic-fatigue-syndrome-das-sind-die-anzeichen-fuer-cfs_id_6947032.html

http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/immunsystem/patientin-mit-chronischem-erschoepfungssyndrom-cfs-ist-aehnlich-schlimm-wie-aids_id_6997962.html

 

ME/CFS in Spektrum

Spektrum widmet sich in seiner Onlineausgabe ebenfalls dem Thema ME/CFS. In dem Artikel wird vor allem die Forschung von Prof. Ron Davis besprochen (Standford/Open Medicine Foundationen), dessen Sohn selbst schwer an ME/CFS erkrankt ist. Der Artikel betont, dass es sich bei ME/CFS um ein lange vernachlässigtes körperliches Leiden handelt. Auch erwähnt werden die Arbeit des National Institute of Health und Prof. Lipkins, der schon länger an ME/CFS forscht. 

http://www.spektrum.de/news/loesen-darmbakterien-und-stoffwechsel-chronisches-erschoepfungssyndrom-aus/1445261

 

ICD-11 - Neuer Vorschlag für ME/CFS

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) überarbeitet aktuell die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD - International Classification of Diseases). Die ICD ist das wichtigste internationale Klassifikationssystem zur Diagnose von Krankheiten. Auch in Deutschland verschlüsseln Ärzte Krankheiten nach dem ICD-Klassifikationssystem. 

2018 soll die erste Version der neuen ICD-11 erscheinen. In der aktuellen Version ICD-10 ist ME/CFS unter G93.3 "Chronisches Müdigkeitssyndrom" und "Benigne myalgische Enzephalomyelitis" gelistet. Hier fällt es unter die Kategorien: "Krankheiten des Nervensystems" und "Sonstige Krankheiten des Gehirns".

In der Beta-Version der ICD-11 waren die Diagnosen Chronic Fatigue Syndrome und Myalgic Encephalomyelitis in den letzten vier Jahren nicht mehr gelistet. Im März 2017 nahm die ICD-Kommission die Diagnosen CFS und ME wieder in den ICD-Katalog auf, gab aber gleichzeitig an, dass noch nicht endgültig entschieden wurde, wie mit ME und CFS weiter zu verfahren sei

Suzy Chapman (GB) und Mary Dimmock (USA), bekannt für ihren langjährigen Einsatz für die Rechte von ME/CFS-Patienten, haben deshalb Ende März einen Vorschlag bei der ICD-Kommission eingereicht, damit ME und CFS in Zukunft angemessen in der ICD repräsentiert werden und Ärzte die Diagnoseschlüssel weiterhin nutzen können. Chapman und Dimmock schlagen vor, ME und CFS wie bisher unter den neurologischen Krankheiten zu listen. Zusätzlich sollten ME und CFS getrennt unter demselben Kapitel aufgeführt werden. Der Zusatz benigne (medizinisch: gutartig) vor ME sollte gestrichen werden, da es sich um eine schwere Krankheit handelt, die sich fortlaufend verschlechtern kann.  

Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat sich diesem Vorschlag mit vielen weiteren Patientenorganisationen auf der ganzen Welt angeschlossen und unterstützt ihn offiziell.

 

Forscher vergleichen Immunmarker im Liquor ("Hirnwasser") von typischen und atypischen ME/CFS-Fällen 

Das Team um Dr. Lipkin und Dr. Hornig am Center for Infection and Immunity an der Columbia Universität, New York, verglich in der kürzlich in "Translational Psychiatry" veröffentlichten Studie Patienten anhand umfangreicher Zytokinprofile. 

Dabei unterteilten sie die Patienten in zwei Gruppen: 

Jene mit klassischer Symptomatik (akuter Beginn mit viraler Charakteristik) und jene mit atypischen Symptomen. Zur letztgenannten Gruppe zählten sie auch ME/CFS-Patienten, die im Verlauf mit zusätzlichen Erkrankungen und Symptomen wie atypischer MS, Krebs oder Krampfanfällen diagnostiziert wurden. Auch Patienten, die nach viraler Enzephalitis (Gehirnentzündung), Auslandsreisen oder Bluttransfusionen erkrankten ordneten sie dieser Gruppe zu. 

Alle 59 untersuchten Patienten mussten die 1994 erstellten CDC-Kriterien und/oder die Kanadischen Kriterien von 2003 erfüllen. 

Die erstellten Profile lassen vermuten, dass Patienten mit atypischem ME/CFS eine andere immunologische Charakteristik im zentralen Nervensystem aufweisen könnten als solche mit klassischen Symptomen. Bei ihnen zeigten sich niedrigere Werte der Entzündungsvermittler Interleukin 17A und CXCL9. Dies weist auf eine weniger starke Immunaktivierung im zentralen Nervensystem hin. In der "klassischen" Gruppe fanden sich hingegen Anzeichen für eine Immunaktivierung im Sinne eines autoimmunen Geschehens

Die Autoren schlagen vor, künftig größeres Augenmerk auf atypische Verläufe zu legen und diese auch im Langzeitverlauf zu untersuchen – besonders wenn die Krankheit infolge ungewöhnlicher Auslöser aufgetreten ist.

Hornig M et al. (2017) Immune network analysis of cerebrospinal fluid in myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome with atypical and classical presentations. Translational Psychiatry 2017 7, e1080. Doi:10.1038/tp.2017.44

 

Möglicher neuer Biomarker für ME/CFS entdeckt

Ein australisches Team rund um Dr. Brett Lidbury von der Universität Canberra hat einen neuen möglichen Biomarker für ME/CFS entdeckt. Die Studie wurde im April in der Fachzeitschrift "Journal of Translational Medicine" veröffentlicht. 

Viele ME/CFS-Erkrankte berichten, dass ihre Erkrankung mit einem grippeartigen Infekt begonnen hat. Auf dieser Grundlage überprüften die Wissenschaftler die Serumlevel der Proteine Aktivin A und B, welche u.a. Entzündungsprozesse im Körper zu regulieren. Hohe Aktivin A/B-Level werden laut Studie ebenfalls mit dem Verlust von Muskelmasse in Verbindung gebracht.

Untersucht wurden 45 Patienten, davon 40 weiblich und 5 männlich, im Alter von 19 bis 66 Jahren. Rekrutiert wurden die Patienten in der CFS Discovery Clinic in der Nähe von Melbourne, die ausschließlich ME/CFS-Patienten behandelt. Zur Diagnose wurden die Kanadischen Konsenskriterien (CCC) verwendet. Zudem wurde die Diagnose von Ärzten und Pflegern vorgenommen, die seit mindestens 15 Jahren mit ME/CFS-Erkrankten vertraut sind. Kontrolliert wurden die Daten an Hand von 17 gesunden Probanden.

Neben den Aktitvin A/B-Leveln wurden Leber- und Nierenfunktion, Blutdruck und weitere Blutwerte gemessen. U.a. Vitamin D, Schilddrüsenwerte, Auto-Antikörper, Glukose und mehrere Interleukine (chemische Botenstoffe der Immunzellen).

Die Forscherer fanden heraus, dass die Aktivin B-Werte von ME/CFS-Patienten signifikant erhöht waren (p = 0.002), die Aktivin A-Werte unterschieden sich nicht von den gesunden Probanden. Erhöhte Interleukine wurden im Gegensatz zu vorherigen Studien nicht gemessen. Die Wissenschaftler verglichen die erhöhten Aktivin B-Werte der ME/CFS-Erkrankten mit einer vorherigen Studie, in denen 140 Probanden aus der allgemeinen Bevölkerung untersucht wurden. Auch in diesem Vergleich waren die Aktivin B-Werte gegenüber den Referenzwerten aus der allgemeinen Bevölkerung erhöht.

Die Forscher glauben, dass der erhöhte Aktivin B-Wert in Zukunft als valider Biomaker genutzt werden könnte, um ME/CFS besser und sicherer diagnostizieren zu können. Besonders interessant sei hierbei, dass sich die Aktivin B-Werte bezogen auf das Alter, Geschlecht, Gewicht, Ethnie, Rauchen und Allergien nicht verändern. Dies könnte einen Test verlässlicher machen. 

Die Autoren betonen jedoch, dass ihre Ergebnisse als vorläufig zu betrachten sind und die Studie mit einer höheren Anzahl von Patienten und Probanden wiederholt werden müsse, um die Ergebnisse zu bestätigen. Aktuell ist nicht sicher, ob es sich tatsächlich um einen Biomarker handelt oder nicht.

Lidbury BA et al.  (2017) Activin B is a novel biomarker for chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis (CFS/ME) diagnosis: a cross sectional study. Journal of Translational Medicine 2017 15:60. DOI: 10.1186/s12967-017-1161-4

 

Wissenschaftler finden gestörte  Darmflora bei ME/CFS

Das Team um Dr. Nagy-Szakal und Dr. Williams am Center for Infection and Immunity an der Columbia Universität, New York, untersuchte die Darmflora von 50 ME/CFS Patienten und verglich diese mit 50 gesunden Probanden. Die Studie wurde Ende April in der Fachzeitschrift "Microbiome" veröffentlicht. 

Es wurden Bakterien in Stuhlproben und Immunmarker im Blutplasma untersucht. Die Forscher fanden dabei eine signifikant veränderte Darmflora bei ME/CFS-Patienten und eine starke Korrelation mit dem Reizdarmsyndrom (IBS). Bis zu 90% aller ME/CFS-Erkrankten leiden laut den Wissenschaftlern ebenfalls am Reizdarmsyndrom (IBS). Die Forscher glauben, dass ein verändertes Mikrobiom nicht nur Einfluss auf den Darm haben könnte, sondern auch auf das Immunsystem, die Kognition und die Stimmung.

Einer ausführliche Analyse der Studie veröffentlichen wir bald hier unter Aktuelles. 

Nagy-Szakal et al. (2017) Fecal metagenomic profiles in subgroups of patients with myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome. Microbiome2017 5:44. DOI: 10.1186/s40168-017-0261-y

 

 

sne, mha, dha