Hamburger Verein fordert Paradigmenwechsel in der medizinischen Versorgung von ME/CFS-Kranken
Unter Motto #MillionsMissing kämpfen Patienten weltweit für Anerkennung der schweren neuroimmunologischen Krankheit
Eine ungewöhnliche Protestaktion plant die neugegründete Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome) e.V. mit Sitz in Hamburg. Neben Demonstranten vor Ort werden zahlreiche aufgestellte Schuhpaare ME/CFS- Kranke aus ganz Deutschland symbolisieren und vertreten. Der Grund: Ein Großteil der Betroffenen ist zu krank, um selbst zu demonstrieren. Die Ballerinas, Joggingschuhe und Pumps erzählen mit einem Kärtchen versehen die Geschichte ihrer ehemaligen Träger.
Wo: Magellan-Terrassen, Großer Grasbrook 10, 20457 Hamburg Wann: 27. September 2016, 15 bis 17 Uhr
Die Aktion ist Teil eines weltweiten Protesttages, der unter dem Motto #MillionsMissing auf die weltweit 17 Millionen Betroffenen aufmerksam macht, die aufgrund von ME/CFS „ver- misst gegangen“ sind – von Karriere, Schule, Familien oder Freundeskreisen.
„ME/CFS ist das Stiefkind des deutschen Gesundheitssystems: Obwohl ME/CFS die oft noch jungen Erkrankten bis zur Bettlägerigkeit einschränken kann, gibt es in Deutschland keine zugelassenen wirksamen Therapien, keine staatliche Forschungsfinanzierung und verschwindend wenig Ärzte, die sich umfassend mit der Krankheit auskennen“, erklärt Sebastian Musch, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS. „Ziel der Demonstration sei es daher, die weitgehend im Verborgenen lebenden Betroffenen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen und für eine medizinische Versorgung einzutreten, wie sie bei anderen schweren Krankheiten Standard ist“, so Musch weiter. Der Verein fordert daher neben der Anerken- nung von ME/CFS als schwere, körperliche Erkrankung, einen massiven Ausbau der biomedizinischen Forschung, eine flächendeckende medizinische Versorgung und eine Ausbildungsoffensive für medizinisches Fachpersonal. „Medizinische Leitlinien, an denen sich Ärzte orientieren, geben derzeit nicht den neuesten Stand der Forschung wieder. Sie enthalten sogar schädliche Therapievorschläge. Das muss sich ändern. Deutschland kann nicht länger dem internationalen Forschungsstand hinterherhinken“, so Musch.
ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad der körperlichen Behinderung führt. Mit schätzungsweise 240.000 Betroffenen in Deutschland handelt es sich um keine seltene Krankheit. Neben einer schweren Fatigue, die das Aktivitätsniveau erheblich einschränkt, treten neurokognitive, immunologische und autonome Symptome auf. Charakteristisch ist eine Verschlechterung des Zustands nach bereits geringen Anstrengungen – für manche kann das bereits Zähneputzen sein, für andere der Gang zum Supermarkt. Die Lebensqualität ist Studien zufolge schlechter als etwa bei Multipler Sklerose oder Nierenversagen im Endstadium. Ein Viertel aller Patienten kann – oft über Jahre und Jahrzehnte – das Haus oder Bett nicht mehr verlassen, schätzungsweise über 60 Prozent sind arbeitsunfähig.
Über die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V. ist eine Anfang 2016 gegründete gemeinnützige Patientenorganisation mit Sitz in Hamburg. Ziel ist es, die dramatische Situation der Betroffenen und Angehörigen an die Öffentlichkeit bringen. Der Verein fordert eine adäquate medizinische und soziale Versorgung der Betroffenen, den Ausbau von Forschung und die Verbesserung des Wissensstandes bei Ärzteschaft und Verantwortlichen des Gesundheitssystems.