Eine Collage aus einem Stethoskop, Labormaterial, DNA und einem Fragebogen

ME/CFS Science-Update 11/2018

Unser Science-Update

Mit dem ME/CFS Science-Update informieren wir über aktuelle Studien und berichten über wichtige Forschung aus den letzten Wochen.

Wir veröffentlichen jeden Monat ein Science-Update und ein separates News-Update mit Nachrichten aus der Politik und internationalen Community.

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter, um über unsere neuen Updates informiert zu bleiben.

Aktuelle Studien

Neuer Fragebogen zur Erfassung von Post-Exertional Malaise bei ME/CFS 

Ein Team von der DePaul University (USA) hat einen Fragebogen entwickelt, um Post-Exertional Malaise (PEM) bei ME/CFS-Patient*innen zu erfassen. Die Studie wurde kürzlich im Fachmagazin Journal of Health Psychology veröffentlicht.  

PEM ist ein Kardinalsymptom von ME/CFS und eignet sich gut zur Unterscheidung von Personen mit ME/CFS von Gesunden und Personen mit anderen Erkrankungen (z. B. Depression). Bisher gibt es jedoch verschiedene Definitionen und Messmethoden zur Erfassung von PEM. Die Autor*innen entwickelten einen neuen Fragebogen auf Basis der Fachliteratur sowie unter Einbeziehung von Patient*innen, die Vorschläge für Fragen einbringen konnten. Der Fragebogen wurde in einer Online-Umfrage anhand einer Stichprobe von über 1400 Patient*innen getestet (hauptsächlich aus englischsprachigen, aber auch aus europäischen Ländern, 84 % weiblich, ME/CFS-Diagnose im Selbstbericht erfasst).  

Der erste Teil des Fragebogens umfasst soziodemografische Informationen und Angaben über Diagnose und Verlauf der ME/CFS-Erkrankung. Danach geht es um Auftreten (unmittelbar vs. zeitverzögert) und Auslöser von PEM (z. B. Licht, Temperatur, Lärm, visueller und sensorischer Overload). Die Merkmale von PEM werden erfasst mit der Frage: „Wenn Sie Ihr Energielimit durch Betätigung, die Sie vor der Erkrankung tolerieren konnten, oder Aktivitäten des täglichen Lebens überschreiten, erleben Sie Folgendes?“ mit den Antwortmöglichkeiten „postexertionale Erschöpfung“, „ein Auftreten unmittelbar oder einige Stunden später“, „Verlust der Funktionsfähigkeit oder Ausdauer“, „Verschlechterung der Symptomatik“, „eine abnormale Reaktion auf minimale körperliche oder kognitive Anstrengung“ und „eine Schwere und Dauer der Symptome, die dem initialen Auslöser nicht angemessen ist“. PEM wird festgestellt, wenn mindestens eine dieser Antworten bestätigt wurde. Danach gaben die Teilnehmenden an, welche Symptome (basierend auf verschiedenen Diagnosekriterien) sich verschlechterten. Zuletzt gab es Fragen zur Dauer, Erholung von PEM und Pacing. Der körperliche und kognitive Funktionsstatus wurde mit dem SF-36-Fragebogen erfasst.  

Der neue Fragebogen erwies sich als geeignet zur Messung von PEM, da die Antworten mit dem Funktionsstatus der Patient*innen in Beziehung standen. Positiv an der Studie hervorzuheben ist die Effizienz des Fragebogens (relativ kurz), die sehr große Stichprobe und die Partizipationsmöglichkeit von Patient*innen bei der Entwicklung. Weitere Studien sollten den Fragebogen jedoch anhand von Stichproben mit strengeren Einschlusskriterien (z. B. CCC statt Diagnose im Selbstbericht), unter Hinzunahme von körperlichen Messungen von PEM und im Zeitverlauf testen.  

Hier geht es zur Studie.

 

Neuer Fragebogen zu Stigmatisierung durch ME/CFS 

Ebenfalls von einem Team der DePaul University wurde ein Fragebogen entwickelt, um Stigmatisierung durch ME/CFS zu erfassen. Die Studie erschien im September im Journal of Health Psychology. Unklarheiten über die Diagnose und die Kriterien für ME/CFS bei medizinischem Fachpersonal und der Allgemeinbevölkerung können zu negativen Einstellungen gegenüber ME/CFS Betroffenen führen. Verbreitete negative Einstellungen können wiederum zu Stigmatisierung (Diskriminierung von Personen aufgrund von negativ bewerteten Merkmalen) und damit verbundenen sozialen und gesundheitlichen Konsequenzen führen.  

In der vorliegenden Studie wurde ein Fragebogen entwickelt, der mehrere Faktoren der Stigmatisierung und den damit verbundenen Konsequenzen für Patient*innen mit ME/CFS erfasst. Die Stichprobe umfasste 554 Patient*innen (Online-Fragebogen, 87 % weiblich, hauptsächlich aus englischsprachigen Ländern). Der erste Faktor des Fragebogens umfasst wahrgenommene Gründe für ME/CFS (z. B. „Viele Menschen glauben, dass es ein Zeichen persönlicher Schwäche ist ME/CFS zu haben“ oder „Menschen tendieren dazu eine Verbindung zwischen ME/CFS und psychiatrischen Erkrankungen zu sehen“). Der zweite Faktor misst Entfremdung (z. B. „Ein Problem dabei ME/CFS zu haben ist, dass die Leute nicht wirklich glauben, dass man krank ist“ oder „Ich fühle mich oft alleine mit meiner Krankheit“). Der letzte Faktor umfasst Fragen zu Offenlegung gegenüber anderen Personen (z. B. „Wenn ich eine neue Freundschaft schließen würde, würde ich die Person als erstes über ME/CFS aufklären“).   

Die Patient*innen stimmten den Aussagen aller drei Faktoren mehrheitlich zu, besonders hohe Zustimmung erreichte die Entfremdung. Diese Studie zeigte also, dass ME/CFS-Patient*innen sich stigmatisiert fühlen – was häufiger auftritt bei auf den ersten Blick nicht sichtbaren Erkrankungen mit ungeklärter Ursache. Diese Stigmatisierung kann das emotionale Wohlbefinden und die Lebensqualität von ME/CFS-Patient*innen beeinträchtigen. Die hohe Zustimmung dazu, dass ME/CFS fälschlicherweise als psychische Erkrankung wahrgenommen wird, kann für die gesundheitliche Versorgung der Patient*innen hinderlich sein. Stigmatisierung könnte durch gezielte Weiterbildungskampagnen für medizinisches Personal sowie die Allgemeinbevölkerung reduziert werden.  

Hier geht es zur Studie. 

 

Veränderungen von T-Zellen und natürlichen Killerzellen bei ME/CFS-Patient*innen 

Ein Team von Wissenschaftler*innen aus Spanien untersuchte die Verbindung von veränderten Lymphozyten (weiße Blutkörperchen: T-Zellen und natürliche Killerzellen [NK-Zellen]) mit ME/CFS in einer Studie, die kürzlich in Frontiers in Immunology erschienen ist. Im Fokus der Studie waren veränderte Lymphozyten, die bei einer Diagnostik von ME/CFS helfen könnten. Die Stichprobe umfasste 76 ME/CFS-Patient*innen (anhand CCC-Kriterien) und 73 gesunde Kontrollen aus Spanien. Die Teilnehmenden füllten den SF-36-Fragebogen zum Funktionsstatus aus und gaben Blutproben ab, aus welchen die Immunzellen sowie Antikörper gegen die Viruserkrankungen humanes Cytomegalovirus (CMVH) und Epstein-Barr-Virus (EBV) gewonnen wurden. Die Immunzellen wurden einer Immunphänotypisierung unterzogen, bei der die Expression verschiedener Antigene auf der Oberfläche der Zellen untersucht wird.  

ME/CFS-Patient*innen zeigten weniger regulatorische T-Zellen (regulieren die Selbsttoleranz durch Unterdrückung des Immunsystems), jedoch mehr NKT-Zellen (erkennen und vernichten Tumorzellen und virusinfizierte Zellen) als gesunde Kontrollen. Die Häufigkeit verschiedener Arten von NK-Zellen (erkennen und vernichten ebenfalls Tumorzellen und virusinfizierte Zellen) wies Unterschiede zwischen ME/CFS-Patien*innen und gesunden Kontrollen auf. Anhand dieser Unterschiede konnten in verschiedenen Modellen ME/CFS-Patient*innen mit bis zu 70 % Wahrscheinlichkeit von gesunden Kontrollen unterschieden werden – dies könnte die Diagnostik von ME/CFS erleichtern.  

Es konnten jedoch keine konsistenten Zusammenhänge der untersuchten Lymphozyten und der selbstberichteten Schwere der Fatigue bei ME/CFS-Patient*innen festgestellt werden. Es zeigten sich zudem Unterschiede in den Lymphozyten zwischen Patient*innen, deren ME/CFS-Erkrankung mit einer Virusinfektion in Zusammenhang stand und denjenigen, deren Erkrankung nicht mit einer Virusinfektion begann. Dieser Zusammenhang zeigte sich jedoch nur für den Selbstbericht und nicht für die gemessenen Antikörper. Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse bei ME/CFS-Patient*innen Veränderungen in den Lymphozyten, die mit Autoimmunität und Entzündungen in Verbindung stehen.  

Hier geht es zur Studie.

 

Hinweise auf veränderte Immunsignaturen bei ME/CFS 

Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen aus Kanada, den USA, Norwegen und Katar untersuchte ebenfalls die Beteiligung des Immunsystems (Autoimmunität und Entzündungen) bei ME/CFS. Die Studie ist im Oktober in Molecular Neurobiology erschienen. Die grundlegende Hypothese war, dass eine initiale Infektion oder Immunreaktion bei ME/CFS zwar abgeklungen sein kann, jedoch weiterhin ein physiologisches Ungleichgewicht besteht. Die Studie untersuchte daher die adaptiven Immunprofile von ME/CFS-Patient*innen aus Kanada und Norwegen im Vergleich zu gesunden Kontrollen. Es wurde ein Set von 256 Antikörpern identifiziert, anhand dessen Patient*innen und Kontrollen mit 80%iger Genauigkeit unterschieden werden konnten. Die Ergebnisse deuten also ebenfalls darauf hin, dass es eine Beteiligung des Immunsystems bei ME/CFS gibt. Zukünftig könnte die Immunsignatur-Analyse zur Diagnostik von ME/CFS genutzt werden – zuvor sind jedoch Studien mit größeren Stichproben nötig.  

Hier geht es zur Studie.

Hinweis: 

Alle Texte sind von uns sorgfältig und nach bestem Wissen erstellt. Sie sind jedoch allgemeiner Art und können nur generell über ME/CFS und die allgemeine Forschungslage aufklären. Bitte verwenden Sie die Informationen nicht als Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen und treffen Sie keine Selbstdiagnosen.

Bei gesundheitlichen Beschwerden konsultieren Sie bitte einen Arzt. Nur eine individuelle Untersuchung kann zu einer Diagnose und ggf. Therapieentscheidung führen. Nehmen Sie Medikamente nur nach Absprache mit einem Arzt oder Apotheker ein.

Redaktion: laf