Feldbetten vor dem Bundestag

Erste Bundestagsdebatte zu ME/CFS

Erste Bundestagsdebatte zu ME/CFS

„ME/CFS-Betroffenen sowie deren Angehörigen endlich helfen – Für eine bessere Gesundheits- sowie Therapieversorgung, Aufklärung und Anerkennung“ 

Am 19. Januar 2023 fand die erste Bundestagsdebatte zu ME/CFS statt. Anlass war ein Antrag der CDU/CSU: „ME/CFS-Betroffenen sowie deren Angehörigen endlich helfen – Für eine bessere Gesundheits- sowie Therapieversorgung, Aufklärung und Anerkennung“.

Aus der Ankündigung auf der Seite des Bundestags:

„Die Unionsfraktion fordert Hilfe für Patienten mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und deren Angehörige. Die Versorgungslage der betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen sei von Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit geprägt. Das Schicksal vieler Menschen werde schlichtweg übersehen, heißt es in ihrem Antrag. ME/CFS sei eine schwerwiegende Multisystemerkrankung vermuteter neuroimmunologischer Genese, die zu krankhafter Erschöpfung (Fatigue) und Verschlechterung der Symptome nach jeglicher Anstrengung (Post-Exertional Malaise) führe, heißt es in dem Antrag. Die Zahl der weltweit Erkrankten werde auf 17 bis 24 Millionen Menschen geschätzt. ME/CFS schränke die Lebensqualität der Betroffenen stark ein. Oft seien die Patienten auf Pflege durch Angehörige angewiesen. Über 60 Prozent der Betroffenen seien arbeitsunfähig, rund 25 Prozent könnten das Haus krankheitsbedingt nicht mehr verlassen oder seien sogar bettlägerig.

Die Abgeordneten fordern konkret, den Aufbau der im Koalitionsvertrag genannten Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für ME/CFS unverzüglich finanziell und strukturell zu fördern. Auch sollte Betroffenen der Zugang zu Gesundheits- und Sozialsystemen erleichtert werden. (...)“

Die Bundestagsdebatte dauerte 45 Minuten. Folgende Abgeordnete hielten Reden:

  • Sepp Müller (CDU/CSU)
  • Martina Stamm-Fibich (SPD)
  • Dr. Christina Baum (AfD)
  • Linda Heitmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Ates Gürpinar (DIE LINKE)
  • Lars Lindemann (FDP)
  • Erich Irlstorfer (CDU/CSU)
  • Dr. Herbert Wollmann (SPD)
  • Simone Borchardt (CDU/CSU)
  • Ruppert Stüwe (SPD)

Es herrschte parteiübergreifende Einigkeit. Alle Fraktionen unterstützten den Antrag „ME/CFS-Betroffenen sowie deren Angehörigen endlich helfen – Für eine bessere Gesundheits- sowie Therapieversorgung, Aufklärung und Anerkennungmit Nachdruck. Abschließend wurde der Antrag an den Gesundheitsausschuss überwiesen. 

Die Debatte wurde live übertragen. Die ganze Aufnahme, Videos der einzelnen Reden, das Sitzungsprotokoll und der Antrag können auf der Seite des Bundestags abgerufen werden. 

Ganzes Video der Debatte zu ME/CFS:

54 Jahre nachdem die Weltgesundheitsorganisation ME/CFS als neurologische Krankheit in die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) aufgenommen hat, ist die erste Bundestagsdebatte über ME/CFS ein historischer Moment für die Betroffenen.  Es ist sehr erfreulich, dass das Thema und die dramatische Versorgungssituation endlich breit politisch diskutiert und angenommen werden, es stellt sich aber auch die Frage, wieso es so lange gedauert hat und Erkrankte wie Angehörige jahrzehntelang ein Schattendasein ohne adäquate medizinische Versorgung führen mussten.

Der Antrag der CDU/CSU und die gut informierte Bundestagsdebatte sind Folgen eines jahrelangen Prozesses, der durch das Engagement von Patientenorganisationen und Betroffenen in Gang gesetzt wurde, wie u. a. die Protestaktionen von #MillionsMissing Deutschland, die Petition #SIGNforMECFS mit fast 100.000 Mitzeichnenden, der Nationale Aktionsplan zu ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom, vielen Hintergrundgesprächen mit Abgeordneten, u. a. initiiert von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS, die Fachgespräche im Bundestag 2020 und 2022 und vieles mehr. 

Aktionen rund um die Bundestagsdebatte

Die Debatte wurde von zwei Aktionen begleitet.

Die Initiativen #NichtGenesen und #NichtGenesenKids organisierten eine stille Demonstration vor dem Bundestag mit 400 Feldbetten, auf denen Portraits Betroffener lagen. So sollte die seit Jahrzehnten andauernde Not und das unerträgliche Leid durch die Erkrankung ME/CFS veranschaulicht werden. Neben den persönlichen Schicksalen spiegelten die Portraits der oft jung Erkrankten laut Pressemitteilung auch den wirtschaftlichen Schaden durch die Erkrankung für die ganze Gesellschaft wider. 

Kurzes Video mit Rundumblick:

Fotos der Feldbettenaktion (Credit: Maria Wagner):

Die Initiative #MillionsMissing Deutschland und das #SIGNforMECFS-Team riefen zudem Betroffene dazu auf, unter dem Hashtag #MECFSimBundestag Fotos ihrer Schuhe auf Social Media zu posten und davon zu berichten, seit wann sie erkrankt und ohne Versorgung sind, verbunden mit der Bitte an die Abgeordneten, den Antrag zu unterstützen.

Tweets zur Aktion #MECFSimBundestag (Auswahl):

Das Hashtag #MECFSimBundestag schaffte es auf die vordersten Plätze der Twitter-Trends. Auch viele Abgeordnete äußerten sich auf Social Media.

Posts von Abgeordneten und Fraktionen (Auswahl):

 

Viele große Medien berichteten über die Bundestagsdebatte und Feldbettenaktion, u. a. die Tagesschau und die ZEIT. 

Im nächsten Schritt führt der Gesundheitsausschuss des Bundestages am 19. April eine Anhörung zu ME/CFS durch, die live übertragen wird. Dafür sollen auch Expert*innen eingeladen werden. Zudem veranstaltet die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 29. März im Vorfeld der Anhörung ein öffentliches Fachgespräch zu ME/CFS im hybriden Format, an dem Interessierte auch online teilnehmen können.

Weiterführende Links

  • Videos der einzelnen Reden und Protokoll auf der Seite des Bundestags (Link)
  • Antrag der Fraktion CDU/CSU (Link)
  • Tagesschau um 20 Uhr: „Chronisches Fatigue-Syndrom: Bundestag diskutiert über mehr Unterstützung“ (Link)
  • Die ZEIT: „Wir hören Sie, wir sehen Ihr Anliegen“ (Link)
  • Nationaler Aktionsplan für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom (Link)
  • Petition #SIGNforMECFS (Link)

Redaktion: jhe
Editor: mth, csc

Fotos: Maria Wagner